Unersetzbare Gemeinschaft
Von Jana Schäfer und der AG »Trostfrauen«
Der Weltfrauenkampftag steht 2025 im Kontext eines weltweiten Backlashs. Frauen und andere vom Patriarchat Unterdrückte kämpfen um reproduktive und politische Rechte und gerechte ökonomische Partizipation, für Bildung und Erinnerung, gegen Gewalt und für Frieden. Der Kampf ist nicht verloren. Aber es zeichnet sich ab, dass der Ton rauer wird.
Die Berliner Friedensstatue »Ari« (Armenisch für die Mutige) steht innerhalb der Tradition feministischer und dekolonialer Graswurzelbewegungen für ein besonderes Anliegen. Sie repräsentiert eine Perspektive aus dem globalen Süden auf die Unversehrtheit des Körpers und auf Selbstbestimmung, und sie stellt die Anerkennung von Unrecht und die Heilung der Betroffenen in einen historischen Kontext. Wir kommen in diesem Jahr unter dem Slogan »Ari gegen Gewalt: Einmal ist einmal zu viel« um sie herum zusammen, um zu zeigen, dass wir Betroffenen glauben und gewaltvolle Systeme durch Bildung und Prävention transformieren wollen.
Verschleppt und eingepfercht
»Aris« Geschichte beginnt mit der transnationalen Frauenrechts- und Friedensbewegung der sogenannten Militärtrostfrauen. Der Begriff »Trostfrauen« bezeichnet die geschätzt 200.000 Mädchen und Frauen, die im Alter von elf bis 29 Jahren während des Asien-Pazifik-Krieges (1931–1945) vom kaiserlich-japanischen Militär und seinen Kollaborateuren für sogenannte Sexsklaverei rekrutiert wurden. Sie kamen aus Japans Kolonien und besetzten Gebieten, die wir heute kennen als Myanmar, China, Osttimor, Indonesien, Malaysia, Papua-Neuguinea, die Philippinen, Nordkorea und Südkorea, sowie eine große Anzahl aus Japan und einige aus den Niederlanden (die Indonesien kolonisierten).
Die Betroffenen wurden oft durch falsche Versprechungen angelockt, von der Straße entführt oder von ihren Familien verkauft. Statt in Haushalten, Krankenhäusern oder Fabriken zu arbeiten, wurden sie teilweise mehrfach quer durch das Kaiserreich verschleppt und in Bordellen eingepfercht. Das Label »Trostfrauen« bezeichnet »Geschlechtsverkehr« euphemistisch als Form des Trostes. In Wahrheit handelte es sich um täglich mehrfache Vergewaltigung. Die Gewalt hatte System: der Verbreitung von Geschlechtskrankheiten und damit Truppenausfällen vorbeugen; Massenvergewaltigungen an Kriegsorten wie 1937 in Nanjing (China) verhindern, die dem Ansehen des Militärs schaden; und weibliche Körper ausbeuten, um den Kampfgeist der männlichen Soldaten und Offiziere zu steigern.
Viele Mädchen und Frauen überlebten die Zeit als »Trostfrau« nicht oder schwiegen bis zu ihrem Tod darüber. Als die Taten erstmals öffentlich diskutiert wurden, stritt die japanische Regierung die Verbrechen ab. Am 14. August 1991 brach Kim Hak Soon im Fernsehen das Schweigen und mobilisierte damit über tausend weitere ehemalige »Trostfrauen« aus 13 Ländern. Yoshiaki Yoshimi, Geschichtsprofessor an der Chuo-Universität Tokio, legte 1993 Dokumente des Militärs über die Bordelle als Beweisstücke vor. Seither hat sich die japanische Regierung zu den Taten bekannt, aber rechte Kreise, die bis ins Parlament reichen, streiten die staatliche Verantwortung dafür weiterhin ab. Sie sagen, dass die Frauen aus Scham, Japan-Hass und Geldgier behaupteten, dass sie unfreiwillige Teilnehmerinnen des Systems gewesen seien. Behauptungen, die den Zeugenaussagen widersprechen und im Angesicht des jungen Alters vieler Opfer zynisch sind. Das ist eine Täter-Opfer-Umkehr, die patriarchale Gewalt und Schuld vertuschen soll.
Heute stehen »Ari« und ihre Schwestern an vielen Orten der Welt, um an sexualisierte Kriegsgewalt zu erinnern, den Betroffenen zu gedenken und ihren Einsatz für rechtliche und gesellschaftliche Transformation zu unterstützen. Viele der Überlebenden wurden zu Aktivistinnen, die sich mit den Betroffenen anderer Gewaltsysteme und Konflikte verbündeten und beispielsweise erfolgreich die Anerkennung sexualisierter Gewalt als Kriegsverbrechen durch die UNO aufs Tableau brachten.
Dieser Erfolg kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Versuche, Friedensstatuen aufzustellen, scheiterten oder dass die betroffenen Frauen verunglimpft werden. Wenn Betroffene und feministisch-dekolonial Engagierte öffentlich über sexualisierte Gewalt sprechen, löst das bis heute Reaktionen zwischen Identifikation, Scham und Wut aus.
Dekolonial eingebettet
Auch in Berlin ist die AG »Trostfrauen« seit der Aufstellung der Statue im Jahr 2020 mit diesen Reaktionen konfrontiert. Die AG wurde 2009 auf Initiative der heutigen Vorstandsvorsitzenden des Korea-Verband e. V., Nataly Jung-Hwa Han, gegründet. Die AG und die im Korea-Verband angesiedelten Projekte leisten Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit und führen politische Kampagnen durch, um die Geschichte der »Trostfrauen« in Deutschland bekannt zu machen.
Dazu gehören Bildungsprojekte mit Jugendlichen und Schulen, die über künstlerische Arbeiten an das Thema geschlechtsbasierte und sexualisierte Gewalt heranführen und dabei Selbstwirksamkeit und Solidarität vermitteln. Weitere Projekte thematisieren die Auslassung kolonialer und migrantischer Geschichte in der deutschen Erinnerungskultur und beteiligen sich an der Vernetzung erinnerungspolitischer Initiativen. Ein zentrales Projekt ist das »Museum der Trostfrauen«, kurz MuT, das ihre Geschichte im Kontext anderer Verbrechen beleuchtet und den Kampf für die öffentliche Anerkennung dieses Themas nachzeichnet.
Die Statue im Berliner Stadtteil Moabit ist zum Ort für kulturelle und politische Veranstaltungen geworden, die das Erinnern an den Kampf der »Trostfrauen« aber auch an rassistische Verbrechen wie in Hanau wach halten. »Ari« wird von Anwohnenden gepflegt und getragen. Die Projekte spannen einen Bogen von lokalen antifaschistischen zu globalen dekolonialen feministischen Aktivitäten, immer mit dem Ziel: den historischen und systemischen Kontext von individueller und institutioneller Gewalt sichtbar und fühlbar zu machen und darüber Solidarität und Gemeinschaft zu stiften.
Um so trauriger stimmt, dass der Bezirk Berlin-Mitte die wiederholten Beschlüsse der Bezirksverordnetenversammlung zum dauerhaften Erhalt der Statue und damit auch dieses Erinnerungs- und Gemeinschaftsortes nicht umsetzen will und eine nicht erfolgte Ausschreibung für das Denkmal dagegen anführt. Das Thema solle auf die bundespolitische Ebene gehoben werden, heißt es. »Ari« kann aber nicht durch ein anderes Mahnmal ersetzt werden, das Fälle von Gewalt in verschiedenen Regionen aufzählt. Erfreulich ist der Beschluss des Landesbeirats für Partizipation, der Denkmalsschutz für die Friedensstatue – und auch für das Mahnmal für die im deutschen Faschismus ermordeten Sintizze und Romnja – fordert.
Jana Schäfer ist aktiv in der Aktionsgemeinschaft »Trostfrauen« des Korea-Verbands in Berlin koreaverband.de/trostfrauen/
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