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26.05.2017, 17:39:36 / No G20

»Es wird von der berechtigten Kritik abgelenkt«

Aktivisten gegen G-20-Gipfel 2017 in Hamburg werten Veranstaltungsort mitten in der Stadt als Provokation. Gespräch mit Martin Dolzer
Von Kristian Stemmler
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Für den 8. Juli 2017 ist eine Großdemo gegen den G-20-Gipfel in Hamburg angemeldet. Worum geht es dem Bündnis?

Die G20 sind ein durch nichts demokratisch legitimierter Zusammenschluss von Regierenden, die sich anmaßen, Entscheidungen von weltpolitischem Ausmaß zu treffen. Diese Regierungen sind hauptverantwortlich für die Destabilisierung der Welt durch Krieg, asymetrische Handelsbeziehungen, Rüstungsproduktion und zunehmende soziale Ungleichheit. Bei den G-20-Treffen verhalten sie sich als »Weltregierung« und versuchen, Kompetenzen zu erschleichen, die – wenn überhaupt – den Vereinten Nationen zustehen würden.

Und effektiv sind diese Gipfel wohl auch eher nicht.

Ja. G-20-Gipfel werden immer kostspieliger, produzieren vor allem Publicity für die austragenden Regierungen sowie eine Menge wertloser Absprachen. Dagegen hat sich ein breites Bündnis formiert, das auch einen Gegengipfel durchführen wird, auf dem thematisiert wird, wie sich die Mehrheitsbevölkerung, eine friedliche und sozial gleiche Welt vorstellt. Ich bin mir sicher, dass eine Mehrheit der Hamburger, ähnlich wie gegen Olympia, auch gegen eine Austragung des G-20-Treffens ist.

Hamburgs Justizbehörde schafft im Knast in Billwerder Kapazitäten für Festnahmen beim Gipfel, baut außerdem auf der Elbinsel Hahnöfersand dafür einen früheren Frauenknast um. Was läuft da?

Diese Pläne sind zynisch. Der Senat steckt Geld in den Bau einer Kurzzeit-U-Haftanstalt, während Resozialisierung und Betreuungsintensität im benachbarten Jugendvollzug in Hahnöfersand heruntergefahren werden. Die Haftbedingungen werden zunehmend unerträglich. Justizbeamte klagen über Überlastung. Gebäude rotten vor sich hin. Das ist verfehlte Justizpolitik mit dem Fokus auf Repression. Eine kritische Auseinandersetzung mit den G20 soll so delegitimiert und kriminalisiert werden. Es ist zu befürchten, dass wie bei den Protesten gegen Castortransporte und die G8 in Heiligendamm rechts- und verfassungswidrig gegen berechtigten Protest vorgegangen werden soll.

Die Welt munkelte im August von zum Gipfel anreisenden »militanten Linksextremisten aus Italien, Griechenland und Frankreich«, die »als deutlich gewaltbereiter als ihre deutschen Genossen« gelten. Wie militant können die Proteste werden?

Durch eine Fixierung auf Militanz und Gewalt wird von der berechtigten Kritik an den G20 abgelenkt. Die Gipfel wurden lange Zeit bewusst nicht in Metropolen ausgetragen, um Eskalationen zu vermeiden. Seit einiger Zeit werden sie jedoch in Städten wie Toronto im Jahr 2010 durchgeführt. Der Etat für die Sicherheitsmaßnahmen dort betrug eine Milliarde Dollar. 20.000 Polizisten sperrten die Innenstadt komplett ab. Das war eine neue Stufe der Militarisierung.

Droht das auch in Hamburg?

Ein ähnliches Szenario wird mit der Absperrung ganzer Stadtteile und der Erprobung von »Aufstandsbekämpfung« mit unverhältnismäßigen Mitteln für Hamburg angedacht. Den Gipfel am Rande des Schanzenviertels, einem Hamburger Szenestadtteil, durchzuführen, ist eine absurde und auf Eskalation angelegte Machtdemonstration, die militante Proteste geradezu provoziert.

Erfahrungen wie bei den Protesten gegen die EZB-Zentrale in Frankfurt am Main zeigen, dass Ausschreitungen vom Mainstream zur Propaganda gegen links und für einen Law-and-Order-Diskurs genutzt werden. Wie entgeht man dieser Falle?

In Frankfurt wurde der Linken-Politiker Ulrich Wilken, Anmelder der Demonstration, diffamiert, weil er sich nicht ausreichend von Gewalt distanziert hätte. Ich finde wichtig, den Gesamtzusammenhang zu sehen. Es ist verständlich, dass besonders junge Menschen ohnmächtig oder auch wütend werden, wenn sie alltäglich mit Perspektivlosigkeit, Krieg, Angriffen auf ihre oder anderer Menschenwürde, der Zerstörung von solidarischen und kulturellen Räumen und der Arroganz der Herrschenden konfrontiert sind. Diese strukturelle Gewalt wird am stärksten von der Troika, der Bundesregierung oder auch den G20 repräsentiert, durch martialische Polizeiaufgebote und Einschränkungen der Versammlungsfreiheit die Ohnmacht verstärkt. Deshalb ist es wichtig, auf einem Gegengipfel Positionen zu diskutieren und Kritik auch auf der Straße zum Ausdruck zu bringen.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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