75 Ausgaben junge Welt für 75 €
Gegründet 1947 Sa. / So., 06. / 7. Juli 2024, Nr. 155
Die junge Welt wird von 2836 GenossInnen herausgegeben
75 Ausgaben junge Welt für 75 € 75 Ausgaben junge Welt für 75 €
75 Ausgaben junge Welt für 75 €

Leserbrief verfassen

Betr.: Artikel Einkommen weiter zu niedrig

Artikel »Einkommen weiter zu niedrig« einblenden / ausblenden

Einkommen weiter zu niedrig

BSW-Anfrage: Entwicklung der Einkünfte in BRD kann Preisauftrieb vergangener Jahre nicht ausgleichen

Für Optimismus ist es noch deutlich zu früh. Den »höchsten Anstieg der Reallöhne seit Beginn der Zeitenreihe 2008« wollte das Statistische Bundesamt (Destatis) Ende Mai registriert haben. Das ließ die dpa sofort mit »Reallöhne im ersten Quartal stark gestiegen« in den bundesdeutschen Blätterwald multiplizieren – mit dem Hinweis, diese hätten die Kaufkraftverluste seit Beginn der Coronapandemie »noch bei weitem nicht ausgeglichen«. Denn auch wenn sich die nominalen Einkommen der Beschäftigten mittels Einmalzahlungen wie etwa der sogenannten Inflationsprämie steigern ließen, war die Preisentwicklung – angetrieben insbesondere durch Energiekosten – deutlich kräftiger, wie eine Anfrage der Partei Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) bei den Wiesbadener Statistikern zeigt, über die dpa am Sonnabend berichtete.

Das mittlere oder Medianeinkommen, das die obersten und untersten Spitzen bei der statistischen Erfassung weniger, dafür aber Mieteinnahmen und Sozialleistungen berücksichtigt, stieg den Destatis-Angaben zufolge zwischen den Jahren 2022 und 2023 um 5,1 Prozent an. Die Teuerungsrate lag im selben Zeitraum aber mit durchschnittlich 5,9 Prozent deutlich darüber. Wird das Jahr 2021 in die Betrachtung einbezogen, verteuerten sich Waren und Dienstleistungen hierzulande demnach sogar um 13,2 Prozent. Die verfügbaren Einkommen der BRD-Bevölkerung konnten im selben Zeitraum aber nur um gut 5,8 Prozent zulegen. »Die Deutschen sind deutlich ärmer geworden«, kommentierte BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht die Entwicklung.

Zwischen 2022 und 2023 waren die Einkommen zwischenzeitlich Preissteigerungen von mehr als 20 Prozent ausgesetzt. Bei einzelnen Warengruppen wurden die Preise sogar um mehr als 34 Prozent angehoben. Supermarktketten nutzten die zweifelsohne gestiegenen Energiekosten als Begründung, um etwa Eigenmarken um bis zu 75 Prozent teurer zu verkaufen. Während sich die Groß- und Einzelhändler mit einem Preiskampf um ihre Profitmargen stritten, stieg die Zahl der Menschen, die auf kostenlose Lebensmittel von Tafeln oder Essensausgaben angewiesen sind, stetig an.

Es dürfte keiner großen Diskussion bedürfen, um festzustellen, dass die mickrige Anhebung des Mindestlohns zum Jahresbeginn auf 12,41 Euro pro Stunde dieser Entwicklung keinen Einhalt gebieten konnte. Die kommende Anhebung um 41 Cent im Jahr 2025 wird allein dadurch karikiert, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) die Massen zuletzt mit einer Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn von 15 Euro pro Stunde beschwichtigen wollte. Sozialverbände und Gewerkschaften kritisieren das Minimalsalär bereits seit einigen Jahren als deutlich zu niedrig und fordern eine höhere Bezahlung für Lohnabhängige, um die Lebenshaltungskosten stemmen und auskömmliche Altersbezüge erhalten zu können.

Wagenknecht kritisierte, sieben Prozent weniger Kaufkraft seit 2021 seien »für die Mittelschicht (…) ein historischer Wohlstandsverlust, für den die Ampel hauptverantwortlich ist«. Die Bundesregierung betätige sich derzeit als »Inflationstreiber und Einkommensbremse zugleich«. Während die Ampel sich mit Wirtschaftssanktionen gegen Russland und einer »ideologiegetriebenen Energiepolitik mit Sonderabgaben« umtreibe, habe sie die Inflation bei Renten und Mindestlohn »nicht annähernd« ausgleichen können, sagte die BSW-Vorsitzende.

Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung hatte unlängst erneut den Zusammenhang zwischen Niedriglöhnen, Altersarmut und Lebenserwartung herausgearbeitet. »Wer in Deutschland besser verdient, lebt länger und hat eine bessere psychische und physische Gesundheit«, hieß es dazu in der vorvergangenen Woche. Für einen Großteil der BRD-Bevölkerung bietet das keine optimistische Perspektive.

Leserbriefe müssen redaktionell freigeschaltet werden, bevor sie auf jungewelt.de erscheinen. Bitte beachten Sie, dass wir die Leserbriefe Montags bis Freitags zwischen 10 und 18 Uhr betreuen, es kann also einige Stunden dauern, bis Ihr Leserbrief freigeschaltet wird.

Sie erklären sich damit einverstanden, dass wir dessen Inhalt ggfls. gekürzt in der gedruckten bzw. Online-Ausgabe der Tageszeitung junge Welt und in sog. sozialen Netzwerken wiedergeben können. Es besteht kein Anspruch auf Veröffentlichung. Die junge Welt behält sich Kürzung Ihres Leserbriefs vor.

Bitte beachten Sie unsere Netiquette (einblenden / ausblenden)

Netiquette

Liebe Leserin, lieber Leser,

bitte beachten Sie die folgenden Hinweise für Ihre Beiträge zur Debatte.

Ihr Leserbrief sollte sich auf das Thema des Artikels beziehen. Veröffentlicht wird Ihr Beitrag unter Angabe Ihres Namens und Ihres Wohnortes. Nachname und Wohnort können abgekürzt werden. Bitte denken Sie daran, dass Ihr Text auch nach Jahren noch im Internet auffindbar sein wird. Wir behalten uns eine redaktionelle Prüfung vor, ein Anspruch auf Veröffentlichung besteht nicht.

Für uns und unsere Leser sind Ihre eigenen Argumente interessant. Texte anderer sollen hier nicht verwendet werden. Bitte bleiben Sie auch im Meinungsstreit höflich. Schmähungen oder Schimpfwörter, aggressive oder vulgäre Sprache haben hier keinen Platz. Denken Sie daran: »Auch der Haß gegen die Niedrigkeit verzerrt die Züge.« (Bertolt Brecht)

Äußerungen, die als diskriminierend, diffamierend oder rassistisch aufgefasst werden können, werden nicht toleriert. Hinweise auf kommerzielle Angebote jeder Art sind ausdrücklich nicht gewünscht. Bitte achten Sie auf die Orthografie und bitte nicht »schreien«: Beiträge, die in Großbuchstaben abgefasst wurden, werden von uns gelöscht.

Die Moderation bedeutet für unsere Redaktion einen zusätzlichen Aufwand: Leserbriefe zu älteren Artikeln sind deshalb nur befristet möglich. Außerdem kann es etwas Zeit in Anspruch nehmen, bis die Redaktion Ihren Leserbrief bearbeiten kann, dafür bitten wir um Verständnis. Orthografische Änderungen durch die Moderation machen wir nicht kenntlich, Streichungen mit eckigen Klammern.

Viel Freude am Debattieren!