Leserbrief verfassen
Betr.: Artikel Feilschen um Frieden in Ukraine
Artikel »Feilschen um Frieden in Ukraine« einblenden / ausblenden
Feilschen um Frieden in Ukraine
Selenskij nennt Bedingungen. Russlands Rückzug nicht mehr im Mittelpunkt
Präsident Wolodimir Selenskij hat erstmals erkennen lassen, unter welchen Bedingungen die Ukraine unter seiner Führung zu einem Friedensschluss bereit sein könnte. In einem am Wochenende veröffentlichten Interview mit der US-Tageszeitung Philadelphia Inquirer nannte er an erster Stelle den »Erhalt der Ukraine«, danach »physische Sicherheit« durch die Aufnahme der Ukraine in die NATO und »wirtschaftliche Sicherheit« durch den Beitritt des Landes zur EU. Außerdem verlangte er eine nicht näher beschriebene »Genugtuung« von seiten Russlands. Die Forderung, Russland müsse vor dem Beginn jeglicher Friedensverhandlungen alle seit 2014 besetzten ukrainischen Gebiete räumen, wiederholte Selenskij nicht.
Der Präsident war offenkundig besorgt, dass der kollektive Westen auf die Idee kommen könnte, sich mit Russland über die Ukraine zu verständigen – so, wie es der US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump hat erkennen lassen. Man könne nicht mit einer Hand »Putin« bekämpfen und ihm die andere Hand zum Gespräch reichen, sagte er an zwei Stellen des Gesprächs. Im übrigen verlangte er erneut mehr Waffen: »Wenn ihr uns nicht in der NATO wollt, dann gebt uns die Mittel, damit wir uns selbst verteidigen können.«
Ukrainische Medien interpretierten Selenskijs Äußerungen in die Richtung, dass der ukrainische Präsident hier eher Forderungen an seine westlichen Unterstützer formuliert habe, damit die Ukraine sich mit einem Ende der Feindseligkeiten abfinde, als solche an die Adresse Russlands. Vor allem die Frage nach der »Genugtuung« auf Kosten Russlands zielte klar darauf, dass Selenskij vom Westen die Übergabe des seit 2022 auf Konten in der EU und den USA blockierten Vermögens der russischen Zentralbank verlangte. Internationale Finanzinstitutionen wie der IWF und die Weltbank warnen allerdings deutlich vor einem solchen Schritt; er würde »das Vertrauen« in das westlich kontrollierte Finanzsystem untergraben und wäre deshalb kontraproduktiv. Vor diesem Hintergrund wäre die Aufnahme der Ukraine in die EU vermutlich der einzige Punkt, der an Selenskijs Forderungen für Russland akzeptabel sein könnte. Denn damit würde faktisch die EU die Kosten des Wiederaufbaus übernehmen.