Die Tageszeitung junge Welt stellt die sozialen Kämpfe im Inland und weltweit in Meldungen und Analysen dar. Testen Sie drei Monate lang die Berichterstattung mit einem »Sommerabo« zu 62 Euro. Als Prämie erhalten Sie ein Buch, in dem Formen widerständigen Handelns aus Geschichte und Gegenwart geschildert werden. Das Abo eignet sich auch als Geschenk. Es endet automatisch und muss nicht abbestellt werden.
Geht es in dieser historischen Dokumentation tatsächlich um Genozid? Auch, aber in erst Linie beschreibt der mexikanische Schriftsteller Paco Ignacio Taibo II, der für seine Krimis und Biographien über Che Guevara und Pancho Villa bekannt ist, die kriminelle Enteignung einer Volksgruppe: der Yaqui aus dem mexikanischen Bundesstaat Sonora.
Bis Mitte des 19. Jahrhunderts waren sie einfach nur eine von vielen indigenen Minderheiten in Mexiko, hatten sich willig christianisieren lassen, bearbeiteten gemeinsam das Land und lebten in ihren acht Dörfern »im wesentlichen kommunistisch«. Soll heißen: Sie kannten kein Privateigentum, keine Sklaverei, keine Knechtschaft, keine Lohnarbeit, alles gehörte allen. Ihr gemeinsamer Landbesitz weckte jedoch die Gier von Großgrundbesitzern, die sie enteignen wollten. Die Dörfer wehrten sich und gingen zu einem Guerillakrieg über. Das Militär begann daraufhin mit ihrer systematischen Auslöschung. Und da die Soldaten die Yaqui nicht von den Nachbarstämmen unterscheiden konnten, traf dies auch andere indigene Ethnien im Norden Mexikos.
Der größte Teil des Buches umfasst eine nur schwer zu ertragende Auflistung von Massakern an Frauen und Kindern, standrechtlichen Erschießungen, Lagerhaft, Zwangsdeportationen, kollektiven Selbstmorden und sonstigen Greueltaten. Die meisten Yaqui mussten ihr Festhalten am kollektiven Eigentum und den Widerstand gegen die Enteignung mit dem Leben bezahlen. Bis 1909, als der Vernichtungskrieg offiziell beendet wurde, wurden sie von etwa 30.000 auf knapp 7.000 dezimiert. Von diesen letzten Yaqui lebte die Mehrheit außerhalb des eigenen Territoriums. Sie waren entweder über die nahe Grenze in die USA geflüchtet oder mussten auf agrarkapitalistischen Plantagen im Süden Mexikos Sklavenarbeit leisten.
1909 endete zwar offiziell der Vernichtungskrieg gegen die Yaqui, nicht aber ihr Widerstand. 1911 begann die Mexikanische Revolution: Yaqui-Abteilungen kämpften nun in den Reihen von Pancho Villas Rebellenarmee gegen die Militärs. Erst 1937 wurde dann den letzten Überlebenden etwa ein Fünftel des Stammeslandes zurückgegeben.
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junge Welt startet Spendenaufruf für israelischen jW-Fotografen
Oren Ziv aus Israel ist Mitglied von »Activestills«, einer internationalen Gruppe von Fotografen, die politische und soziale Kämpfe in Israel und Palästina dokumentiert. Bei dieser Arbeit wurden alle Mitglieder der Gruppe schon verhaftet oder verletzt, berichtet Oren der Kulturzeitschrift Melodie und Rhythmus (Heft 2/2017). Bei den Protesten rund um den G-20-Gipfel Anfang Juli in Hamburg arbeitete er im Filmteam der jungen Welt mit. Dabei konnte Oren die Gewaltexzesse nicht nur mit seiner Kamera verfolgen, sondern wurde selbst Opfer eines Überfalls. Ob die Polizei oder andere Fotografen die Szene wahrnahmen, ist unklar, jedenfalls griff niemand ein. Oren verstand die Aggression der männlichen Person zunächst als Aufforderung, gerade gemachte Bilder zu löschen. Doch sein Versuch, die Lage zu deeskalieren, indem er deutlich erkennbar die Bilder löschte, scheiterte. Wer niedergeschlagen und beraubt wird, erleidet nicht nur materiellen Schaden, zumindest aber den wollen wir ersetzen. Der Wiederbeschaffungswert der gestohlenen Profikameras und Objektive beträgt rund 6.000 Euro. Wir bitten deshalb unsere Leserinnen und Leser um Spenden.
Oren Ziv sagt im Interview für Melodie und Rhythmus, dass das israelische Militär alle Journalisten, die nicht kooperieren, gleich schlecht behandele. Ähnliches konnte man auch in Hamburg beobachten. Dort war Oren gemeinsam mit Susann Witt-Stahl und Dror Dayan unterwegs, um neben Fotografien auch Filme für unseren jW-Blog »No G 20« zu produzieren. Schon im Vorfeld wurde gegen sie gehetzt: »Antisemitismus? Dann lasst euch nicht von Antisemit(inn)en wie Witt-Stahl und Dayan filmen!« wurde im sozialen Netzwerk gepostet. Auch wenn bis heute völlig unklar ist, wer für den Übergriff auf Oren verantwortlich ist: Wer solche Aufrufe startet, nimmt so was billigend in Kauf.
Wir wollen, dass Oren wieder auf ein vollständiges Equipment für seine wichtige Arbeit zurückgreifen kann. Sein journalistisches Selbstverständnis deckt sich mit dem der jungen Welt: Er sieht sich nicht als neutraler Beobachter, sondern bezieht Position. Und trotzdem meint er: »Wir sind viel objektiver als jene Journalisten, die irgendwo in einem Büro hocken und einfach die Pressemitteilungen des israelischen Militärs nachplappern.« Das gilt wohl auch für die Situation während und nach dem G-20-Gipfel in Hamburg: Viele Journalisten funktionierten lediglich als Sprachrohr der Pressestellen von Polizei und Politik.
Trotz massiver Beeinträchtigung hat unser G-20-Kollektiv eine hervorragende Arbeit abgeliefert, was noch heute auf unserem G-20-Blog nachvollzogen werden kann (www.jungewelt.de/g20">jungewelt.de/g20). In den nächsten 14 Tagen bitten wir die Leserinnen und Leser der jungen Welt um aktive Solidarität mit Oren Ziv. Jede Spende ist ein Zeichen dafür, dass wir Genossinnen und Genossen nicht im Regen stehen lassen.
Der martialische Auftritt der Polizei in Hamburg soll zeigen: Wer nicht spurt, wird repressiert
Dietmar Koschmieder
Erst wurden über 10.000 gewaltbereite Demonstranten für den Gipfel in Hamburg prophezeit, dann etablierte die Polizei die Zahl 8.000. Am Ende schritten hochgerüstete Polizeieinheiten gegen 1.000 Demonstranten (Angaben der Polizei) bei der »Welcome to Hell«-Demo am Donnerstag am Hamburger Hafen ein, weil die sich angeblich nicht demaskieren wollten. Augenzeugen berichteten allerdings, dass es lediglich einige hundert waren. Wer aber steckt hinter so einer Vermummung? Linksautonome Aktivisten? Staatsbeamte mit Spezialauftrag? Faschos und Hools? Oder Kriminelle? Klar dürfte jedenfalls sein: Wenn Tausende von militärisch auftretenden und hochgerüsteten Staatsbeamten mit ihren Granatwerfern, Schnellfeuerwaffen und Maschinenpistolen demonstrativ tagelang gegen alle, die ihnen auf der Straße begegnen, äußerst aggressiv vorgehen, geht es nicht um ein paar hundert Vermummte. Wenn unter solchen Umständen Häuser gestürmt, Menschen die Knochen gebrochen, Brände gelegt und Straßenzüge verwüstet werden, ist da keinesfalls etwas »aus dem Ruder gelaufen«, wie manche mutmaßen: Hier sollen nicht nur »Gewaltbereite«, hier sollen alle Demonstranten, Passanten, aber auch gar nicht anwesende Kritiker des Staates eingeschüchtert werden. Mit erstaunlicher Klarheit haben das in diesen Tagen mehrere Polizeisprecher und Politiker kundgetan. »Grundrechte einzuschränken ist nun mal Teil der Aufgabe und schützt die Demokratie vor zu großem Individualismus«, postete etwa die Hamburger Gewerkschaft der Polizei über Twitter am Mittwoch. Dagegen nennt die Gewerkschaft Verdi die Ereignisse ein einziges »Festival der verletzten Grundrechte«.
Medien können in einer bürgerlichen Demokratie eine wichtige, den Herrschenden durchaus unangenehme Rolle spielen. Offensichtlich deshalb hat man wohl auch sie ins Visier genommen. Journalisten unterschiedlicher Medien wurden von Beamten geschlagen, drangsaliert, in der Ausübung ihres Berufes massiv behindert. Eigentlich war auch das nicht nötig, die meisten Medien funktionierten als verlängerter Arm der Staatsmacht: Erklärungen der Polizei wurden ohne Gegenrecherche übernommen und gebetsmühlenartig wiederholt, schon im Vorfeld der Ereignisse. Als die Polizei meldete, dass sie gegen 1.000 vermummte Personen vorgegangen sei, wurde diese Zahl beispielsweise vom TV-Sender N24 brav gemeldet und auch dann noch ständig wiederholt, als ihr Reporter vor Ort aussagte, dass es deutlich weniger Personen gewesen seien.
Mit dem martialischen Auftritt sollte wohl ein Zeichen gesetzt werden: Egal ob Linksautonomer, Journalist oder friedlicher Demonstrant: Wer nicht spurt, wird repressiert. Dabei treten komische Helfershelfer auf, wie die junge Welt erleben musste. Schon im Vorfeld der Protestaktivitäten gegen den G-20-Gipfel wurde die junge Welt inhaltlich angegriffen, weil G20 nicht G7 sei und man wegen der Teilnahme der Regierungen etwa aus Russland oder China gegen den Gipfel nicht protestieren dürfe. Trotzdem hat die junge Welt eine klare Haltung eingenommen, was unter anderem auch dazu führte, dass zwei im Vorfeld überprüfte und akkreditierte jW-Journalisten dann doch vom Gipfel ausgesperrt wurden. Antideutsche veröffentlichten Fahndungsbilder von zwei Journalisten unseres Filmteams mit der Aufforderung, »diesen Antisemiten keine Interviews zu geben«. Einer der so Angegriffenen kommt aus Israel, einem weiteren israelischen Kollegen aus dem jW-Team wurde die Fotoausrüstung geraubt, nachdem man ihn zu Boden geworfen und auf ihn eingeschlagen hatte. Und am Montag, als die Hetze gegen Linke die höchsten Wogen schlug, erdreistete sich die Redaktion der »Tagesthemen«, zur Illustration der vom Verfassungsschutz vermeldeten Zunahme der Zahl linksradikaler Aktivisten das Logo der jungen Welt im aktuellen Verfassungsschutzbericht einzublenden. Warum wohl?
Natürlich geht es nicht in erster Linie gegen die junge Welt. An ihrem Beispiel soll nur statuiert werden, was geschieht, falls man es wagen sollte, bestehende Verhältnisse zu sehr zu kritisieren oder gar in Frage zu stellen und über Alternativen nachzudenken. Die Herrschenden haben viel weniger vor einer Zeitung Angst als davor, dass immer mehr Menschen ihre Wut über Ungerechtigkeit und Profitwahnsinn in Formen organisierten Widerstandes verwandeln. Dieses Szenario steht den Behörden offensichtlich vor Augen, wenn sie Polizei in paramilitärischer Formation und Hochrüstung auf Demonstranten und Presse, eigentlich auf die Bevölkerung insgesamt loslassen. An der Notwendigkeit anderer gesellschaftlicher Verhältnisse ohne Profitlogik und Ausbeutung ändert das allerdings nichts.
Asylbewerber lügen. Sie erzählen zusammengeschusterte Geschichten. Ihre Storys ähneln einander, denn es sind nicht »ihre«, sondern nur die, die ihnen auf die Reise mitgegeben wurden – von Schleppern. Klingt eine Erzählung glaubhaft, ist das dem Schauspieltalent des Vortragenden geschuldet. Spricht einer wahrhaft, ist das eine Sensation. So zumindest steht es in Shumona Sinhas Roman »Erschlagt die Armen!«.
Der namenlosen Protagonistin des Buches ist es gelungen, sich ein Leben in Frankreich aufzubauen. Für die Behörden arbeitet sie nun als Dolmetscherin, vermittelt also zwischen Beamten und Asylbewerbern. Doch die Arbeit reibt sie mehr und mehr auf: Die Schutzsuchenden geben sich als politisch Verfolgte aus, als Parteisprecher, als bedrängte Christen, als sexuell missbrauchte Frauen. Doch ihre Geschichten halten den Nachfragen nie stand. Die Dolmetscherin selbst wird stetig bedrängt – von den Vertretern des Staates wie auch von den Flüchtlingen und ihren Anwälten. Der Roman stellt uns die Protagonistin in einer für sie ungewohnten Situation vor: Sie wird verhört. Nachdem ihr ein Mann zu nahe rückte, schlug sie mit einer Weinflasche in der Hand zu …
»Erschlagt die Armen!« lässt den Leser nachdenklich zurück. Eindeutig ist der Roman in einem Punkt: Das bestehende Asylsystem befördert Heuchelei und, in der Konsequenz, Verzweiflung und Gewalt. Die Menschen in dem Buch sind Lügende aus Not: Sie fliehen vor Elend und Hoffnungslosigkeit. Doch um in einem anderen Land aufgenommen zu werden, genügt es es nicht, vom Hunger bedroht zu sein. Und so werden sie in ihren Darstellungen von Armen zu Verfolgten.
Shumona Sinhas Buch erschien 2011 in Frankreich, vier Jahre später dann auf Deutsch. Keiner der beschriebenen Geflüchteten stammt aus Syrien oder anderen Ländern des Nahen Ostens, keiner floh vor Krieg. Das macht es schwierig, die geschilderten Situationen auf die Gegenwart in der BRD übertragen. Doch es ist zu vermuten, dass sich in deutschen Amtsstuben ähnliche Szenen abspielen dürften, wie Sinha sie beschrieben hat – gerade wenn Menschen aus jenen Ländern um Aufnahme bitten, die nicht im Fokus der Presseberichterstattung sind.
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Kommt es darauf an, ist die »freiheitliche demokratische Grundordnung«, auf die sich die Mächtigen in diesem Land soviel zugute halten, das Papier nicht wert, auf der sie geschrieben steht. In dieser Woche war gleich bei zwei Anlässen zu beobachten, wie elementare Rechte bei Bedarf von der Staatsmacht handstreichartig außer Kraft gesetzt werden, wenn es gerade opportun erscheint.
Am Dienstag stellte Bundesinnenminister Thomas de Maizière gemeinsam mit dem Chef des Inlandsgeheimdienstes, Georg Maaßen, in Berlin den Bundesverfassungsschutzbericht 2016 vor. Wie in den Jahren zuvor wurde junge Welt darin wieder mit einem besonderen Prädikat bedacht und als »das bedeutendste und auflagenstärkste Printmedium im Linksextremismus« angeführt. Viel Feind’, viel Ehr’, könnte man da meinen, irgend etwas müssen wir wohl richtig machen. Allerdings hat dieses Behördensiegel auch einen durchaus bedrohlichen Charakter: Gleichsam en passant wird die in Artikel 5 Grundgesetz garantierte Pressefreiheit mit dem vagen Hinweis darauf relativiert, dass »die jW für die Errichtung einer sozialistischen/kommunistischen Gesellschaft ein(tritt)« und »sich nicht ausdrücklich zur Gewaltfreiheit (bekennt).« Das darf man in Zeiten, in denen wie gerade in Hamburg eine enthemmte Staatsmacht sich an friedlichen Demonstranten austobt, wohl als Wink mit dem Zaunpfahl verstehen. Als Hinweis darauf, dass im Zweifelsfall noch andere Instrumente bereitliegen, um sich dieses unbequemen, unabhängigen und konsequent oppositionellen Blattes zu entledigen. Im Zweifelsfall? Möglicherweise, wenn die Reichweite von junge Welt weiter steigt. Denn als einzige Tageszeitung im deutschsprachigen Raum haben wir keine Einbrüche bei der Auflage zu verzeichnen, sondern kontinuierliche Zuwächse im Verkauf. Das dürfte etwas mit Inhalten zu tun haben.
Bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes ließ es sich de Maizière nicht nehmen, mit Blick auf den G-20-Gipfel das Horrorszenario an die Wand zu malen, für dessen Realisierung seine Beamten am Freitag in der Hansestadt so schlagkräftig gesorgt haben. Auch in Hamburg wurden Grundrechte systematisch ausgehebelt, vom Recht auf Versammlungsfreiheit bis hin zu dem auf körperliche Unversehrtheit.
Und auch hier kam die vielgerühmte Pressefreiheit immer wieder unter die Räder. So wurden akkreditierte jW-Journalisten vom offiziellen Medienzentrum beim G-20-Gipfel ausgeschlossen. Als Willi Effenberger und Björn Kietzmann, die jW mit Fotos von den Protesten gegen den Gipfel beliefern, am Freitag das Messegelände betraten, zogen Beamte des Bundeskriminalamtes ihre Akkreditierungspapiere ein. Mindestens drei weitere Pressevertreter, die ebenfalls für uns arbeiten, waren gleichfalls betroffen – eine drastische Einschränkung unserer Arbeitsbedingungen. Aber Hamburg ist ja nicht Moskau …
Das alles hält uns nicht davon ab, weiterhin kritisch und basisnah zu berichten – und bei allem antikapitalistischen Engagement bürgerliche Freiheitsrechte gegen deren Gegner zu verteidigen. Wie bei früheren Protesten gegen Großveranstaltungen der Herrschenden – Stichwort Heiligendamm 2007, Stichwort Elmau 2015 – ist jW nicht nur mit Berichterstattern, sondern auch mit zahlreichen Unterstützern vor Ort, die die Zeitung mit großem Einsatz und ehrenamtlich unter die widerständigen Massen bringen. Vielleicht haben auch Sie ein Exemplar auf diesem Wege erhalten. Sind Sie neugierig geworden? Dann lernen Sie uns besser kennen – am Kiosk, im kostenlosen dreiwöchigen Probe- oder im dreimonatigen Aktionsabo. Wir schreiben täglich an gegen kapitalistische Globalisierung und Krieg. Auf einen heißen Sommer des Widerstands!
Die neue Ausgabe der Melodie & Rhythmus und eine Delegation kubanischer Journalisten befassen sich mit »Freiheit und Democracy«
Wahre Freiheit ist nicht zu haben, deshalb muss der Begriff davon mit dem schlechten Bestehenden kompatibel gemacht werden. Werbestrategen bedienen sich der Ikonographie sozialer Kämpfe, die mit der Ästhetik des Widerstandes aufgeladen sind, schreibt Chefredakteurin Susann Witt-Stahl in ihrem Editorial des neuen Heftes der Kulturzeitschrift Melodie & Rhythmus. Seit gestern gibt es das Heft am Kiosk, und seit gestern wirbt der Opel-Konzern mit großen Plakaten in der Nähe des Redaktionssitzes dieser Zeitung ganz klassenkämpferisch für seine Autos: »Warum sollte das, was für viele wichtig ist, nur für wenige erreichbar sein?« Fest steht: Die 116 Seiten der neuen Melodie & Rhythmus sind für jeden am nächsten gutsortierten Kiosk für 6,90 Euro erhältlich.
Um auch Kubanern »Freiheit und Demokratie« vorzuführen, wurde eine Delegation von kubanischen Journalistinnen und Journalisten von der Taz nach Berlin eingeladen. Finanziert wird die Aktion von der Bundesregierung. Mag ja sein, dass die Taz wie viele andere Zeitungshäuser ökonomisch auf neue Finanzierungskonzepte angewiesen ist und neben Immobilienbewirtschaftung und Kaffeehandel auch mit solchen Schulungsprogrammen zu Geld kommen muss. Die Programmgestaltung zeigt jedenfalls, dass es sich hier keinesfalls um eine Geste der Völkerfreundschaft handelt: Unter anderem ist ein Besuch der »Archivos de la Stasi« vorgesehen. Und bei den »Reportern ohne Grenzen«. Die haben gerade eine »Rangliste der Pressefreiheit« veröffentlicht, in der Kuba als »Feind der Pressefreiheit« geführt und deutlich schlechter bewertet wird als etwa die Türkei oder Mexiko, wo regelmäßig Journalisten verhaftet und ermordet werden.
In diesem Rahmen ist der Besuch der Delegation auch bei der Tageszeitung junge Welt als Versuch zu werten, den Schein von Freiheit und Demokratie aufrechtzuerhalten. Wir werden aber in diesem Krieg um die Köpfe der Menschen nicht klein beigeben. Das sind wir unseren kubanischen Genossinnen und Genossen schuldig.
Unsere Zeitung begleitet den G-20-Gipfel in Hamburg mit einer Sonderredaktion und Reportern vor Ort
Das Großereignis vom kommenden Wochenende wirft bereits seine Schatten voraus. Teile Hamburgs sind zum undemokratischen Sektor gemacht worden. Das führende Management der G-20-Staaten soll von Protesten möglichst verschont bleiben. Die linke Szene lernt schon mal den Polizeistaat kennen. Mit allen Mitteln versuchen die Behörden, die Versammlungsfreiheit auf Bonsai-Größe zurückzuschneiden, wie die Auseinandersetzung um das Stadtpark-Camp demonstriert. Den Oberen passt die ganze Richtung nicht. Das ist auch nachvollziehbar, denn die Bewegung gegen den Gipfel in ihrer ganzen Breite zeugt von der wachsenden Ablehnung einer ungerechten Ordnung, dem lauter werdenden Nein zu einer Welt, die vom Geld regiert wird.
Unsere Leitmedien werden ganz gewiss in aller Breite berichten – ausgewogen und überparteilich, versteht sich. Ein »Kessel Buntes« aus Hofberichterstattung, Polizeisprech, guten Demonstranten und bösen Chaoten erwartet Sie dort. Als Nebenwirkungen können Sehstörungen auftreten. Doch Hilfe ist unterwegs. Mit Reportern an den Brennpunkten des Geschehens und einem Team, das in der Redaktion die Dinge ordnet, sorgen wir ab dem kommenden Donnerstag für klare Sicht auf den Gipfel und vor allem auf Gipfelstürmer. Online wollen wir in unserem Blog, den sie unter www.jungewelt.de/g20 aufrufen können, mit laufenden Aktualisierungen – Meldungen, Fotos und Videos – für Durchblick sorgen. Bereits jetzt ist dort das Wichtigste aus unserer Vorberichterstattung dokumentiert. Aktive Hamburg-Besucher bekommen unter der Nummer 030/53 63 55-77 Anschluss an unser Team. Auch Hinweise per Mail (g20@jungewelt.de) sind willkommen. (jW)
Der rechte Block fischt im Frankreich der Gegenwart erfolgreich nach Jüngern, um seine Regierungsübernahme vorzubereiten. Frankreich ist am Ende, ein ständiger Ticker im TV zeigt die Opferzahlen der aufbrechenden Konflikte im Land. »Diese Generation war in einer virtuellen Welt groß geworden, mit der Angst vor AIDS, vor Fremden, vor Arbeitslosigkeit, vor sozialer Unsicherheit, inmitten skandalöser Verarmung in den Einfamilienhausgebieten.«
Für die Schergen um Stanko sind die bürgerkriegsähnlichen Zustände wie ein Biotop. Er steht einer Gruppe vor, die als eine der härtesten Schläger- und Mörderbanden im Umfeld der ultrakonservativen Partei Frankreichs den Rücken freihält und Nachwuchs rekrutiert. Irritierend für Stanko, dass sich immer öfter Algerier bei ihm für seinen neofaschistischen Trupp melden, aber zeitweise »brauchbar«.
»Du liebtest das Testosteron, das förmlich in der Luft lag, (...) das spürte man, wie sie darauf brannten zu kämpfen, ihre Sehnsucht nach Gewalt« – auch der Parteifunktionär Antoine Maynard liebt die Brutalität. Maynard begegnet dem Leser als abgefallenes Bürgersöhnchen, das am Lycée, dem französischen Gymnasium, zum Fan präfaschistischer Literatur und in der Gegenwart Parteifunktionär und Ehemann der neuen Vorsitzenden des Front National ist.
Mit der Entwicklung dieser beiden Freunde Stanko und Maynard, der eine wird selbst zum Verfolgten, der andere zum staatstragenden Politkader, zeichnet der Autor vier Jahrzehnte einer Entwicklung des rechten Milieus in Frankreich nach. Eine Gärungszeit in den Dekaden der Neoliberalen Epoche, als deren Ergebnis sich in der Gegenwart längst jener vorgorene, düstere Wein in die Straßen der »Grande Nation« ergießt.
Die »klassischen antifaschistischen Denkmuster allein genügen nicht mehr«, schreibt der Autor im Nachwort; denn in diesem Roman gibts was zu lernen, auch über das Versagen der Linken und insbesondere der Linksbürgerlichen. Leroy hat uns mehr zu erzählen als Didier Eribon – und ist mit kriminalistischer Präzision unterhaltsam. In verständlicher Sprache und nachvollziehbaren Figuren überzeichnet Leroy das Bild der Fünften Republik, wo sie sozialpsychologisch und ökonomisch derzeit ist: Nah am Abgrund.
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Die junge Welt bietet ein spezielles Bildungsangebot gegen Dummheit und Gleichgültigkeit
Wir leben in einer kranken und egoistischen Gesellschaft, und das bleibt nicht ohne Auswirkungen. Obwohl das Elend auch im eigenen Land immer stärker sichtbar wird, erkennen immer weniger Menschen die Ursachen von Krieg, Hunger und Armut. Nicht nur viele Schulgebäude in einem der reichsten Ländern der Welt sind marode, auch für ein ordentliches Bildungssystem werden nicht ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt: Die Qualität von Bildung und damit die Zukunftschancen der Kinder hängen immer stärker von Herkunft und Geldbeutel der Eltern ab. Weil solche und ähnliche Erscheinungen nicht länger zu verheimlichen sind, wird für reichlich Ablenkung gesorgt: Kultur-, Politik- und Medienbetrieb liefern flache Informations- und Unterhaltungsangebote und praktische Feindbilder: Der Terrorist, der Islamist, der Flüchtling bedroht uns und ist verantwortlich für dieses und jenes Übel, heißt es mittlerweile nicht nur an Stammtischen oder in rechten Zirkeln.
Gut, dass es die junge Welt gibt. Sie liefert nicht nur Hintergründe und Analysen, nennt Fakten und Verantwortliche beim Namen. Sie berichtet auch über Widerstand, der sich hier im Lande und weltweit entwickelt. Um sich aber als linke Zeitung gegen den immer weiter nach rechts driftenden Mainstream behaupten zu können, braucht diese Zeitung viel mehr Leserinnen und Leser! Auch deshalb haben wir uns für die Sommermonate ein spezielles Angebot ausgedacht: Drei Monate lang bekommen Sie oder Ihre Freunde die junge Welt nach Hause in den Briefkasten geliefert – für lediglich 62 Euro. Wer bestellt, kommt in den Genuss von drei Vorteilen: Erstens spart er oder sie mehr als 40 Prozent im Vergleich zum Normaltarif. Zweitens endet das Aktionsabo automatisch, muss also nicht abbestellt werden. Und obendrauf gibt es drittens gratis eine interessante Sommerlektüre, die sich mit dem Thema Widerstand beschäftigt. In dieser Woche schenken wir Ihnen den legendären Roman »Brandstellen« von Franz Josef Degenhardt.
Nun ist dieses Angebot vor allem für jene gedacht, die sich noch nicht für ein Abo der jungen Welt entscheiden können. Auch dafür gibt es Gründe: Kann ich mit so einer Papierzeitung überhaupt was anfangen? Habe ich genug Zeit, um täglich die Zeitung zu lesen? Und bietet mir die junge Welt die Inhalte, die ich für mich und die Diskussion in Schule, Uni oder Betrieb nutzen kann? Drei Monate sind eine gute Zeit, so etwas zu testen. Gerne darf dieses Angebot aber auch für ein Geschenkabo genutzt werden: Sicher gibt es in Ihrem persönlichen Umfeld Menschen, die diese Zeitung brauchen könnten. Empfehlen Sie doch einfach das Aktionsabo für drei Monate – oder verschenken Sie es an Freunde, Enkel, Kollegen. Die junge Welt ist ein wirksames Mittel gegen Dummheit und Gleichgültigkeit.
Wenn die Lieder nicht gereicht haben, hat der 2011 verstorbene Liedermacher Franz Josef Degenhardt Romane geschrieben. Insgesamt acht Stück. »Brandstellen« ist sein zweiter Roman von 1975. Es geht um die Protestszene in den Siebzigern vor der Erfindung der alles und jeden beruhigenden Grünen. Die Hauptfigur Bruno Kappel fasst die »Stimmung der Saison« im postfaschistischen Westdeutschland unter Helmut Schmidt zusammen: »Neopragmatismus: das Machbare machen und das Nötige notfalls mit Mafia-Mitteln, im übrigen halbrechts und abwarten.« SPD, wie sie leibt und lebt. Kann man es besser sagen? Kann man, der ultimative Antisozihit heißt immer noch »Verteidigung eines alten Sozialdemokraten«, stammt aus dem Jahr 1968 – und von Degenhardt.
Der war gelernter Rechtsanwalt und zeichnet Kappel als arroganten linksliberalen Anwalt, voller Zynismus und Sexismus im BMW, der kathartische Momente erlebt, als er seinen Geburtsort besucht. Er sucht seine frühere Freundin, die nun bei der RAF ist, verliebt sich aber in eine junge Frau, eine fast schon heilige Kommunistin, die auch noch Maria heißt und Kappel wieder auf die Füße stellt. Er wirkt ein bisschen wie einer dieser fertigen Privatdetektive der »Schwarzen Serie«, nur dass er im Ruhrgebietskaff die Wirkmächtigkeit linker Strategien untersucht.
Vor Ort soll ein NATO-Truppenübungsplatz gebaut werden. Hierfür muss ein Campingplatz weichen, was eines dieser berühmten breiten Bündnisse aus SPD, DKP, Gewerkschaften und Jugendgruppen verhindern will. Es wird viel diskutiert. Zudem liefert Degenhardt essayistische Skizzen von Boheme und Bourgeoisie, denen er eine proletarische Gemütlichkeit entgegenstellt. Er verwahrt sich gegen den Hass auf »das gemeine Volk«, hinter dem sich meist Autoritarismus versteckt. Bei Degenhardt geht es um helle Kneipen und dunkle Kneipen, um Entspannung draußen auf dem Land vor einem »Spankorb voll Pflaumen«. Es wird auch gerne schwimmen gegangen. Und neben der ganzen Lebenspracht thematisiert er die in dieser Gesellschaft stets verleugneten Klassenstrukturen, immer wieder.
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Der diesjährige Sommer des Widerstands beginnt in Hamburg. Zigtausende Menschen werden dort zum Ausdruck bringen, dass sie sich nicht den ausbeuterischen Vorstellungen der führenden kapitalistischen Mächte unterordnen werden. Nicht einmal alle Teilnehmer beim G-20-Gipfel werden dies tun. Ganz klar, dass dies auch für die junge Welt eine besondere politische wie journalistische Herausforderung sein wird. Deshalb wird in der jungen Welt eine Sonderredaktion eingerichtet, zudem arbeiten in Hamburg Kolleginnen und Kollegen für unseren junge Welt-G-20-Blog. Neben den gewohnten Berichten und Analysen dürfen Sie sich deshalb über weitere Informationen und Medienformate freuen. So ist für die Live-Berichterstattung auch ein Film- und Fotografenteam unterwegs, darunter Dror Dayan, Susann Witt-Stahl und Oren Ziv vom Activestills Collectiv. Schon jetzt können Sie auf unserem Blog die Vorberichterstattung zum Ereignis lesen. Ab Samstag nächster Woche finden Sie dort auch unabhängig von den normalen Redaktionszeiten unsere Sicht auf die Dinge. Und falls Sie selber vor Ort sind: Notieren Sie sich unsere Hotline, und berichten Sie dann von Ihren Beobachtungen. Unsere Online-Spezial-Redaktion erreichen Sie unter 030/536355-77.