Leserbrief zum Artikel Linke-Vorstand gegen »Querfrontstrategien«
vom 05.12.2017:
Innerparteiliche Demokratie
(…) Dieser Bericht gibt nicht die Schärfe wieder, mit der die Debatte geführt wurde. (…) Der Antrag, den Caren Lay zur Verurteilung von Wolfgang Gehrcke, Diether Dehm und anderen eingebracht hatte, erhielt eine Mehrheit, die Entscheidung fiel aber nicht einmütig, wie im ND und von Euch berichtet wurde: 18 stimmten dafür, sieben dagegen, fünf enthielten sich, was ebenfalls als Ablehnung gewertet werden muss. Das Debattenklima war unerträglich (…). Bei der Auseinandersetzung ging es letztlich gar nicht um Ken Jebsen, sondern um die Frage der innerparteilichen Demokratie. Setzt sich dieser Kurs fort, wird das die innerparteiliche Linke sehr rasch zu spüren bekommen. Schließlich sollen zwei der bekanntesten Köpfe der Parteilinken abgeschossen werden. Ich persönlich habe durchaus Schwierigkeiten mit Ken Jebsen, aber für einen Israel-Hasser und Antisemiten halte ich ihn nicht. Er ist auch kein Rechter, und ich halte seinen Ansatz immer noch für eine linke Kritik am System. Das Problem ist, dass für den Genossen Lederer Israel-Kritiker Antisemiten sind. Die meisten Linken in Israel wären nach der Kategorie von Lederer Antisemiten und Israel-Hasser. Die Partei Die Linke steht vor einer schwerwiegenden Richtungsauseinandersetzung. Sind wir eine Partei mit Klassenpolitik oder eine Partei der linken urbanen Milieus, oder vermögen wir es, mit einer Klassenlinie auch urbane Milieus anzusprechen? Manche neigen dazu, eine notwendige Debatte über Strategie, Taktik, Politik und Bündnispartner durch Verleumdungen, Stigmatisierungen und administrative Maßnahmen lösen zu wollen. Das birgt in letzter Konsequenz auch die Gefahr einer Spaltung der Partei. (…) Unabhängig davon, für wie gut man die Aktion mit der Demo vor dem Karl-Liebknecht-Haus am 14. Dezember hält, (…) administrativen Lösungen bei politischen Konflikten entgegenzutreten heißt heute die innerparteiliche Demokratie verteidigen. (…)
Veröffentlicht in der jungen Welt am 08.12.2017.