Leserbrief zum Artikel Die Linke: Politik der Vereinfachung
vom 08.04.2019:
Kein Beitrag zum Verständnis
Erst vor wenigen Tagen hat sich das Bundesministerium des Innern zur aktuellen Kriminalitätsentwicklung geäußert. Dabei konnte festgestellt werden, dass bei abnehmender Kriminalität das Sicherheitsgefühl der befragten Bevölkerung keineswegs gewachsen ist. Die Ursache dieser Entwicklung ist wohl nicht zuletzt in der reißerischen Berichterstattung der Mainstreammedien zu suchen. In dieser aufgeheizten und unterschwellig bis grob plumpen Atmosphäre der Fremdenfeindlichkeit, die ganz besonders seit 2015/16 anhält, musste auch Sahra Wagenknecht – für viele Zeitgenossen das Gesicht der Partei Die Linke – agieren, auch weil die Bevölkerung zu Recht die Haltung der damals größten Oppositionspartei erfahren sollte. In ihrer Presseerklärung standen daher das aktuelle (Un-)Sicherheitsgefühl vieler Menschen und die Forderung nach geordneten Verhältnissen bei der Zuwanderung im Mittelpunkt. Der von Mellenthin angeführte und danach bekanntgewordene persönlich tragische Hintergrund des Täters von Ansbach war für das thematisierte Sicherheitsgefühl unerheblich.
Dass Wagenknechts angeblich häufig benutztes Adverb »wieder« nach Mellenthin die Sehnsucht nach den Zeiten Willy Brandts signalisiert, erscheint mir an den Haaren herbeigezogen. Wagenknechts »Brandt-Nostalgie« ist vielmehr auf dessen Außenpolitik und die von ihm maßgeblich eingeleitete Politik der Aussöhnung mit dem Osten bezogen. Dadurch ist sie tatsächlich aktuell.
Wagenknechts Interpretation der Wahl Trumps in dessen Anfangszeit wurde von einigen Persönlichkeiten – z. B. Willy Wimmer – geteilt, besonders von Personen, die von den Kriegen des so »sympathischen Friedenspreisträgers« Obama (vgl. seinen kürzlichen Auftritt in Deutschland) und seiner Kriegsfurie Clinton genug hatten und die eine Politikänderung statt Weiter-so und versöhnlich klingende Worte des Wahlkämpfers Trump begrüßt hatten.
Grotesk wird Mellenthins Kritik, wenn er Wagenknecht vorwirft, dass sie im November 2016 geäußert hat, »die Briten« hätten für den Ausstieg aus der EU votiert (wofür sonst?), und dann fortfährt, dass eine Mehrheit heute, zweieinhalb Jahre danach, vermutlich den Ausgang des Referendums von 2016 korrigieren würde. Nach welchen Kriterien haben für Mellenthin Abstimmungen dann Gültigkeit, und wie lange kann man sich mit der Umsetzung des Abstimmungsergebnisses Zeit lassen?
Dass Wähler in Deutschland bei dieser Medienlandschaft und der jüngeren deutschen Geschichte habituell ihr Missvergnügen mit der Politik des Establishments lieber »rechts« zum Ausdruck bringen, macht sie nicht automatisch zu Fremdenfeinden.
Eine Politik, die versucht starre politische Fronten aufzubrechen – »Aufstehen« – kann scheitern. Ob das hier zutrifft, ist vielleicht noch nicht entschieden.
Ein nachträgliches haarspalterisches Zerpflücken notwendiger plakativer Stellungnahmen zu aktueller Tagespolitik mag den Autor zufriedenstellen, der Sache der Vermittlung einer fortschrittlichen Politik dient es nicht.
Dass Wagenknechts angeblich häufig benutztes Adverb »wieder« nach Mellenthin die Sehnsucht nach den Zeiten Willy Brandts signalisiert, erscheint mir an den Haaren herbeigezogen. Wagenknechts »Brandt-Nostalgie« ist vielmehr auf dessen Außenpolitik und die von ihm maßgeblich eingeleitete Politik der Aussöhnung mit dem Osten bezogen. Dadurch ist sie tatsächlich aktuell.
Wagenknechts Interpretation der Wahl Trumps in dessen Anfangszeit wurde von einigen Persönlichkeiten – z. B. Willy Wimmer – geteilt, besonders von Personen, die von den Kriegen des so »sympathischen Friedenspreisträgers« Obama (vgl. seinen kürzlichen Auftritt in Deutschland) und seiner Kriegsfurie Clinton genug hatten und die eine Politikänderung statt Weiter-so und versöhnlich klingende Worte des Wahlkämpfers Trump begrüßt hatten.
Grotesk wird Mellenthins Kritik, wenn er Wagenknecht vorwirft, dass sie im November 2016 geäußert hat, »die Briten« hätten für den Ausstieg aus der EU votiert (wofür sonst?), und dann fortfährt, dass eine Mehrheit heute, zweieinhalb Jahre danach, vermutlich den Ausgang des Referendums von 2016 korrigieren würde. Nach welchen Kriterien haben für Mellenthin Abstimmungen dann Gültigkeit, und wie lange kann man sich mit der Umsetzung des Abstimmungsergebnisses Zeit lassen?
Dass Wähler in Deutschland bei dieser Medienlandschaft und der jüngeren deutschen Geschichte habituell ihr Missvergnügen mit der Politik des Establishments lieber »rechts« zum Ausdruck bringen, macht sie nicht automatisch zu Fremdenfeinden.
Eine Politik, die versucht starre politische Fronten aufzubrechen – »Aufstehen« – kann scheitern. Ob das hier zutrifft, ist vielleicht noch nicht entschieden.
Ein nachträgliches haarspalterisches Zerpflücken notwendiger plakativer Stellungnahmen zu aktueller Tagespolitik mag den Autor zufriedenstellen, der Sache der Vermittlung einer fortschrittlichen Politik dient es nicht.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 10.04.2019.