Aus: Ausgabe vom 24.12.2011, Seite 16 / Aktion
Kommunistische Spinnerei
Kommunistische Verblendung wird dabei zunächst vor allem der »Drecksau mit dem Ulbrichtbart« Franz Josef Degenhardt unterstellt. Dann aber auch gerne Barbara Thalheim. Sie trug ihr Lied »Die Vögel singen nicht mehr« vor, in dem sie sich mit der Stagnation vor allem in der Endphase der DDR kritisch auseinandersetzt. Was daran Ostalgie und kommunistische Spinnerei sein soll, ist schnell geklärt. Zum einen erlaubte sich Barbara Thalheim eine Vorbemerkung zu ihrem Lied, in dem sie nüchtern feststellt, daß die Stagnation, die sie in der DDR erlebt habe, lächerlich sei im Vergleich zu der Stagnation, in der sie nun seit 21 Jahre lebe. Zuvor sang sie Degenhardts »Dies Land ist unser Land« und bemerkte, daß dieses Land erst dann ihr Land sei, wenn der Präsident des Landes in der jungen Welt einen Nachruf zum Tod einer großen Schriftstellerin wie Christa Wolf veröffentlicht. Hat ja höchstens indirekt mit Degenhardt zu tun, monierte der NDR, aber »viele Künstler (…) waren derart von Sendungsbewußtsein durchdrungen, daß sie die Gelegenheit für politische Stellungnahmen nutzten«. Das stimmt insofern, daß mit jedem der 29 Lieder Stellung bezogen wurde. Die meisten Künstler hatten sich allerdings wertender Kommentare enthalten.
Viele Zeitungen haben bis heute über diese Veranstaltung nicht berichtet. Und die berichtet haben, vermeiden es (bis auf Unsere Zeit, Zeitung der DKP), ihrer Chronistenpflicht nachzukommen und die junge Welt als Veranstalter zu benennen, die für inhaltliche Zusammenstellung und Organisation die Hauptverantwortung trug. Nur durch die Zusammenarbeit von melodie&rhythmus, junge Welt und Berliner Ensemble war dieser außergewöhnliche Abend möglich. (jW)
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