Aus: Ausgabe vom 18.02.2012, Seite 16 / Aktion
Wo das Böse zu finden ist
Von Dietmar Koschmieder
Nicht nur von unseren Leserinnen und Lesern haben wir zahlreiche Glückwünsche zum Geburtstag erhalten. Auch andere wie das neue deutschland würdigten den 65. Geburtstag dieser »kleinen Nischenzeitung« (alle Zitate: neues deutschland vom 11./12.2.2012), mit der der von uns »konditionierte Leser« täglich sein »unumstößliches Glaubensbekenntnis« auffrischt. Die Welt sei heute, so meint jedenfalls nd-Autor Thomas Blum, vielfältig und unübersichtlich und verstörend, was bei dieser »kleinen Tageszeitung« aber nicht zähle, »sondern die beständige Beschwörung des Dogmas: Wir sind die Guten, und wir wissen, wo die Bösen sitzen«. »Sag mir, wo du stehst und welchen Weg du gehst« sei das Glaubensbekenntnis. Den Vorwurf, daß die junge Welt die Ansicht vertritt, daß Welt erkennbar und Dinge, die Prozesse antreiben, benennbar sind, lassen wir uns gerne gefallen. Das riesengroße neue deutschland vertritt ja nicht nur da offensichtlich eine andere Linie. Dort legt man eher Wert darauf, nicht zu den Guten zu gehören und auch nicht zu wissen, wo die Bösen sitzen. Die junge Welt sei nur noch eine »mal mehr, mal weniger gut geölte Nachrichtenmaschine von links, die antikapitalistische Agitation betreibt«. Selbst wenn man die junge Welt nur darauf reduzieren würde -welche andere überregionale Zeitung in Deutschland kann wenigstens das von sich behaupten? Und dann fällt es dem nd-Autor doch noch plötzlich wie Schuppen von den Augen, und er erkennt glasklar Gut und Böse, als ob er ein junge Welt-Autor wäre: Er schwärmt von den guten, alten Zeiten bei der jungen Welt, womit er natürlich nicht die Zeit von vor 1990, sondern die Zeit danach bis zum jungle-World-Putsch 1997 meint. Denn dann brach das Böse über die junge Welt herein, dann sei »Schluß mit der Perestroika in der jungen Welt«, also Schluß mit lustig gewesen: Der Geschäftsführer des Blattes habe sich durchgesetzt und dieses auf Linie gebracht, »der lustige Wildwuchs auf den Zeitungsseiten sollte beschnitten werden«. Und weil seither die junge Welt ein kleines Nischenblatt ist, bei dem niemand Angst von einem neuen Gedanken haben müsse, haben die Guten »kurz darauf die linke Wochenzeitung jungle World gegründet«. Da gab es dann viele neue Gedanken, wie die Begrüßung von deutschen Militäreinsätzen und die Aufforderung zum Krieg. Wo konnte man bis dahin sowas schon in linken deutschen Zeitungen lesen? Die eigenartige Rolle, die das Neue Deutschland bei der Gründung dieses Blattes spielte, wird nicht thematisiert: Die ersten zwei Ausgaben der jungle World wurden schon während des Konfliktes als Beileger in Neues Deutschland und taz veröffentlicht. Zumindest in der Sache wußte das Neue Deutschland also schon damals, wer die Guten sind und wo die Bösen zu finden waren. Und nd-Autor Thomas Blum weiß als ehemaliger jungle World-Autor, wovon er spricht. Trotz »geringer Leserschaft«, trotz »herrschender kompromißloser Arbeiterfaust« sei die junge Welt »ein gewaltiges Kunstwerk«, ein »erstaunliches Phänomen« auf dem Zeitungsmarkt, meint er. »Vorwärts immer, rückwärts nimmer. Glückwunsch, junge Welt« endet der Beitrag. Mit solchen Artikeln und denen, die zum Thema junge Welt noch in dieser Art folgen werden, beantwortet das neue deutschland die Frage selbst, wo es steht und welchen Weg es geht.
www.neues-deutschland.de/artikel/218144.leichte-hand.html
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Leserbriefe zu diesem Artikel:
- Peter Labatzki: Glückwünsch? Aber daran ist doch nichts Erstaunliches. Was sollte denn Dummheit sonst tun, als sich mit Arroganz zu paaren? Wer nimmt Sie denn sonst?...
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