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Aus: Ausgabe vom 10.08.2013, Seite 16 / Aktion

Plumpe Fälscher

Geheimdienste sammeln und manipulieren Informationen. Davon unabhängige Medien sind selten
Von Dietmar Koschmieder
Valencia, Spanien: Aktivisten der »Hypothekenopfer- Plattform« (
Valencia, Spanien: Aktivisten der »Hypothekenopfer- Plattform« (PAH) besetzen eine Filiale der Banco Popular (26. Juli 2013)
Vieles von dem, was in diesen Tagen enthüllt wird, überrascht nicht: Etwa, daß große Firmen wie Google und Microsoft mit Geheimdiensten und Behörden bei der Ausspähung der Bürger zusammenarbeiten. Die Internetnutzer reagieren mit der Parole: Verschlüsseln! So wird seit Wochen zu sogenannten Cryptoparties eingeladen, auf denen in angenehmer Atmosphäre erklärt wird, wie man E-Mails und andere Texte verschlüsselt. Der Wert solcher Aktivitäten ist fraglich, weil die US-Regierung von Verschlüsselungsdiensten den Code verlangt. Und wer da nicht mitmacht, kann einpacken: Am Freitag wurde gemeldet, daß der E-Mail-Dienst Lavabit eingestellt wird, weil der US-Behörden den Zugriff auf verschlüsselte Daten nicht gestattet hat (siehe Seite 1). Lavabit-Chef Ladar Levison erklärte, er könne nur jedem dringend abraten, seine privaten Daten einem Unternehmen anzuvertrauen, daß direkte Beziehungen zu den Vereinigten Staaten habe. Bleibt hinzuzufügen: Oder bundesdeutschen, denn diese arbeiten reibungslos mit US-amerikanischen Behörden zusammen.

Geheimdiensttätigkeit hört nicht beim Zugriff auf verschlüsselte oder unverschlüsselte Daten auf. Es wird nicht nur gesammelt, es wird auch manipuliert. So fand der französische Inlandsgeheimdienst DCRI im April dieses Jahres einen Wikipedia-Artikel über eine militärische Funkstation im Departement Loire plötzlich unangenehm. Nachdem die Löschanfrage bei der US-amerikanischen Wikipedia-Zentrale (Wikimedia Foundation) wegen nicht ausreichender Begründung abgelehnt wurde, lud der Geheimdienst kurzerhand einen Mitarbeiter von Wikimedia France vor und zwang diesen mittels Strafandrohung, noch vor den Augen der Agenten den Artikel zu löschen. Zwar war der Wiki-Administrator dazu gar nicht berechtigt, und deshalb wurde der Artikel von der Zentrale wieder eingestellt, trotzdem zeigt der Vorgang, wie hemmungslos Geheimdienste Einfluß nehmen.

So nachvollziehbar ist das selten. Denn in der Regel agieren die Behörden subtiler. Es gab schon immer Mitarbeitende, die Informationen streuen, ergänzen, fälschen oder verhindern. So leben die Geheimdienstexperten der Zeitungen geradezu davon, daß ihnen gezielt Infos gesteckt werden. Selbstverständlich wird auch auf neue Medien Einfluß genommen. Das läßt sich leicht erahnen, wenn man zum Beispiel die Wikipedia-Einträge zur jungen Welt, zu deren Geschichte und die Diskussion auf Wikipedia anschaut. Wissen kann man das genauer, seit der US-amerikanische Informatikstudent Virgil Griffith 2007 die Software Wikiscanner entwickelt hat. Damit können Beiträge von nicht angemeldeten Benutzern durchsucht und deren IP-Adressen leichter zugeordnet werden. Damals konnte eine Reihe von Eingriffen durch Firmen und Behörden aufgedeckt werden. Seither wurden die Formen der Manipulation allerdings verfeinert. Die Geheimdienste schicken bezahlte Kräfte nicht nur in linke und rechte Organisationen, um dort Informationen zu sammeln. Und wer in ihrem Auftrag manipuliert, muß dazu ja nicht direkt im Amt sitzen. Jeder kann sich als ehrenamtlicher Mitarbeiter bei Wikipedia anmelden und ist dann sozusagen legalisiert. Und wenn die Einträge nicht mehr über das offizielle Firmen- oder Behördennetzwerk laufen, hilft auch der Wikiscanner nicht mehr weiter.


Auf jeden Fall wird eifrig und mitunter auch plump weiter manipuliert. Erst am Donnerstag dieser Woche wurde bekannt, daß der Wikipedia-Eintrag über den ehemaligen NSA-Mitarbeiter und Whistleblower Edward Snowden direkt aus dem Senat in Washington verändert wurde. Im Wiki-Eintrag wurde Snowden als »Dissident« bezeichnet, dies wurde aus dem Kapitol heraus in »Verräter« umgeschrieben. Von der gleichen IP-Adresse konnten weitere Einträge auf Wikipedia registriert werden.

Was über die junge Welt geschrieben wird, können Behörden beeinflussen. Was in der jungen Welt geschrieben wird, nicht. Solange sich die Zeitung auf einer wirtschaftlich stabilen Grundlage bewegt. Und das heißt, solange die Leserinnen und Leser über Print- und Onlineabos die politische Unabhängigkeit der Zeitung auch ökonomisch untermauern.

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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