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Aus: Ausgabe vom 26.10.2013, Seite 16 / Aktion

Reizwort Kommunismus

Medien unterschlagen die junge Welt gerne. Darum, daß diese Zeitung bekannter wird, müssen sich die Zeitung und ihre Leserinnen und Lesern schon selber kümmern
Von Dietmar Koschmieder
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Sie lügen wie gedruckt, wir drucken, wie sie lügen – die junge Welt wirbt auf Buchmessen, Infoständen und Plakaten mit diesem Satz und stößt damit auf großes Interesse: Immer mehr Lesende bemerken, daß angeblich objektive Medien sehr oft ganz andere Interessen als die ihrer Konsumenten vertreten – und dabei auch vor Halbwahrheiten, Unwahrheiten und Lügen nicht zurückschrecken. Weil eine Zeitung wie die junge Welt da nicht in den Kram paßt, wird sie gerne unterschlagen. Berücksichtigt wird sie in Nachrichtenspalten und Kommentaren meist nur dann, wenn man negative Schlagzeilen damit verbinden kann: Am 5. April 1995 wurde um 20 Uhr in der Tagesschau das Ende der jungen Welt verkündet. Daß es doch weiterging, weil ein Verlag und eine Genossenschaft in Regie der Belegschaft gegründet wurden, meldeten dann die »Berliner Abendschau« des ARD-Regionalsenders. Daß die junge Welt 2012 in eine existenzbedrohende Krise geriet, war Medienthema – nicht aber, wie sie mit Hilfe ihrer Leserinnen und Leser da wieder herauskam. Diese Art von selektiver Wahrnehmung, mit der die öffentliche Meinung beeinflußt werden kann, betrifft aber auch andere. So können Wahlergebnisse von Parteien durch die Art der Medienbeachtung hoch- und runtergeschrieben werden. Über die Partei Die Linke werden ebenfalls bevorzugt Negativschlagzeilen präsentiert.

Das wird künftig etwas problematischer. Weil sie wohl stärkste Oppositionspartei im neuen Bundestag wird. Das zwingt die Medien zu größerer Aufmerksamkeit. So meldete der Berliner Tagesspiegel am Dienstag »exklusiv«: »Gesine Lötzsch soll Vorsitzende des Haushaltsausschusses werden.« Hintergrund: Traditionell stellt die stärkste Oppositionspartei den Vorsitz dieses Ausschusses. Intern hat man sich in der Linkspartei wohl auf die erfahrene Bundestagsabgeordnete Lötzsch verständigt. Doch was fiel dem Tagesspiegel als erster Satz nach der Überschrift ein? »Sie hat über die Wege zum Kommunismus geschrieben«. Selbst das Neue Deutschland meldete am Donnerstag lapidar: »Während ihrer Zeit an der Spitze der Partei sorgte sie unter anderem durch den Zeitungsartikel »Wege zum Kommunismus« für Kritik.« Die Mitteldeutsche Zeitung brachte es auf den Punkt: »Gesine Lötzsch mit dem Vorsitz des Haushaltsausschusses zu betrauen, ist unter dem Gesichtspunkt der öffentlichen Akzeptanz heikel. Allerdings sind in dem Gremium nicht Wege zum Kommunismus gefragt, sondern Einnahmen und Ausgaben im Kapitalismus.«

junge Welt wird zwar nirgends erwähnt, aber wie sich das damals tatsächlich verhalten hat, kann man in dieser Zeitung nachlesen. Wer das Blatt scheut wie der Teufel das Weihwasser, darf sich bei Wikipedia sachkundig machen: Das Thema setzte die junge Welt, Gesine Lötzsch kam der Bitte um eine Stellungnahme in Vorbereitung auf die Podiumsdiskussion der Rosa-Luxemburg-Konferenz 2011 nach. Was Frau Lötzsch da formulierte, hätte kein aufrechter Sozialdemokrat, kein fortschrittlicher Pfarrer besser formulieren können. Aber Frau Lötzsch hat dieses K-Wort benutzt, ohne dreimal auszuspucken – das hat sie wohl für alle Zeiten gebrandmarkt.

Auf der kommenden Rosa-Luxemburg-Konferenz am 12. Januar 2014 wird auf der abschließenden Podiumsdiskussion ihr Nachfolger Bernd Riexinger mit der Präsidentin des Weltfriedensrates, dem Generalsekretär der internationalen Vereinigung der Widerstandskämpfer FIR und dem Geschäftsführer der DFG-VK diskutieren, wie der Kampf für Frieden, gegen Sozialabbau und Faschismus zusammengeführt werden kann. Die Konferenz versteht sich als Manifestation gegen imperialistische Kriege. Weil Bernd Riexinger das Wort Kommunismus vermeiden wird, werden die meisten deutschen Medien die Konferenz trotzdem wohl kaum beachten.

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

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