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Aus: Ausgabe vom 09.08.2014, Seite 16 / Aktion

Welch ein Fortschritt

Liebe Leserinnen und Leser,

ein Land, das Medien habe, brauche keine Zensur, ätzte der Dichter Peter Hacks vor etwa 25 Jahren. Am Freitag um 13.22 Uhr verschickte dpa eine Bestätigung seines Satzes: »Die New York Times hat ihre Praxis aufgegeben, brutale Verhörmethoden des Geheimdienstes vorsichtig zu umschreiben. ›Von jetzt an wird die Times das Wort Folter für Praktiken benutzen, bei denen klar ist, daß Gefangenen Schmerzen zugefügt wurden, um an Informationen zu gelangen‹, schrieb der neue Chefredakteur Dean Baquet in einem Leitartikel am Freitag. Das sei das Ergebnis einer jahrelangen Debatte innerhalb der Redaktion.«

Welch Fortschritt. Nur zur Erinnerung: Vor zehn Jahren waren die Bilder aus dem US-Foltergefängnis Abu Ghraib bei Bagdad längst um die Welt gegangen. jW hatte übrigens – laut einer späteren wissenschaftlichen Studie – als erste deutsche Zeitung über die Folter dort im Herbst 2003 berichtet.

Die Erfahrung der vergangenen 25 Jahre besagt: In Zeiten imperialistischer Kriege, von denen in diesem Zeitraum einer auf den anderen folgte, stehen die Medien fast geschlossen für Hetz- und Verschleierungspropaganda zur Verfügung. Der »embedded journalist« wurde zur Leitfigur des Gewerbes – siehe Jugoslawien, Afghanistan, Irak, Naher Osten, Georgien, Libyen, Syrien, Mali usw. Was in den 90ern die »humanitäre Intervention« war, wurde im vergangenen Jahrzehnt der »Krieg gegen den Terror«. Jeder Staat, der den Zielen der von den USA geführten Wertegemeinschaft ein Hindernis war, wurde nicht nur militärisch, sondern auch publizistisch niedergemacht.


Gegenwärtig wird die mediale Front wieder begradigt. Von Tag zu Tag mehr steigert sich Washington in hysterische Phantasien über Rußland hinein – vom US-Präsidenten angefangen (siehe »abgeschrieben« auf Seite 8). Und alle – von New York Times bis Bild und Spiegel – beten die Vorgaben unterschiedslos nach.

Ein Geschehnis wie das am 2. Mai in Odessa, wo ein faschistischer Mob Gegner der Kiewer Putschisten in ein Gewerkschaftshaus trieb und auf brutalste Art ermordete, findet da kaum Beachtung. Vom kommenden Montag bis zum 18. August zeigt jW-Ladengalerie auch aus diesem Grund eine Ausstellung mit Bildern aus der ukrainischen Hafenstadt. Auf die jW-Pressemitteilung dazu erhielten wir eine Bitte um Korrektur vom WDR. Im jW-Text heiße es, »die deutschen Medien, an der Spitze u.a. die ARD, hätten das Massaker« totgeschwiegen. Die WDR-Ausgabe des ARD-»Weltspiegel« am 11. Mai habe einen Beitrag gebracht, in dem gleich zu Beginn auch im Bild gezeigt worden sei, »daß die im Gewerkschaftshaus eingeschlossenen Menschen von außen bedroht werden, statt ihnen Hilfe anzubieten«. Wer sich den Videoclip ansehen will, kann das im Internet unter kurzlink.de/daserste-weltspiegel tun. Uns hat er nicht zu einer Korrektur veranlaßt. Auf unsere freundliche Einladung an die WDR-Kollegin, von der wir die E-Mail erhielten, ihre Auffassung bei der Eröffnung am Montag um 19 Uhr selbst zu vertreten, erhielten wir bis Freitag nachmittag leider keine Antwort.

Aber was nicht ist, kann werden – siehe New York Times. Wir möchten mit jW jedenfalls kleine Fortschritte wie dort befördern. Wenn Sie uns dabei helfen wollen, tun Sie es!

Verlag und Redaktion

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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

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