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Aus: Ausgabe vom 06.06.2015, Seite 16 / Aktion

Gefährlicher als brennende Flaschen

Wenn die Welt unter wenigen Großmächten aufgeteilt wird, ist die junge Welt mit dabei, um den Herrschenden ihr Handwerk zu erschweren
Dieses Bild wollte die Polizei eigentlich verhindern: Razzia bei
Dieses Bild wollte die Polizei eigentlich verhindern: Razzia bei den jW-Reportern an der B2 am Donnerstag abend, auch Broschüren der Roten Hilfe sollten beschlagnahmt werden

Die Polizei freut sich: Die Lage sei »ruhig«, gab der Polizeisprecher in Garmisch-Partenkirchen am Freitag bekannt – ganz in der Nähe soll am Sonntag der Gipfel der »G 7« beginnen. Staatschefs und Ministerpräsidenten von »sieben führenden Nationen« beraten im Schloss Elmau, wie die Welt unter einer Handvoll Großmächte aufgeteilt werden soll. Die, die da aufgeteilt werden, die Beute also, sitzt in Bayern nicht am Konferenztisch. Doch was, wenn sich Gegenwehr regt? Wenn der latente Unmut in vielen Teilen der Bevölkerung in Protest, in Widerstand umschlägt? Der Polizeisprecher kann Entwarnung geben: An den zahlreichen Kontrollpunkten, die den bayerischen Straßen momentan ein wenig Notstandsflair verleihen, habe es »noch keine Zwischenfälle gegeben«.

Die Übergriffe, denen junge Welt-Journalisten und -Mitarbeiter am Donnerstag abend auf einer Bundesstraße in der Nähe von Garmisch ausgesetzt waren, zählen nach Polizistenlogik nicht dazu. Ein Wagen wurde gefilzt, von »Straftätern links« wurde geraunt. Schließlich konnten die – ordnungsgemäß akkreditierten – Kollegen ihre berufliche Fahrt doch fortsetzen.

Journalisten als Zündler, Steinewerfer, Chaoten? Natürlich nicht, das wissen auch die Polizisten. Und doch, es gibt Gefährlicheres als Molotowcocktails und »Polenböller«. Es hat 16 Seiten, manchmal auch mehr, und es handelt sich um unsere Zeitung, die junge Welt. Denn die, das unterscheidet sie von den anderen, behauptet nicht, »unabhängig« oder »unparteiisch« zu berichten, um dann doch nur den gleichen Einheitsbrei wie alle zu servieren, natürlich parteiisch, natürlich abhängig. jW ergreift offen Partei, und sie hält sich an die Devise, die einst Wladimir Iljitsch Lenin gab: »Eine Zeitung ist nicht nur ein kollektiver Propagandist und kollektiver Agitator; sie ist auch ein kollektiver Organisator.«

Die junge Welt hatte im Jahr 2007, als »G 7« noch »G 8« hieß und in Heiligendamm tagte, nicht nur aufgedeckt, dass Demonstranten in engen Gitterkäfigen zusammengepfercht worden waren. Auch der dortige Einsatz der Bundeswehr im Inland wurde zuerst von unserer Zeitung skandalisiert. Die Herrschenden blieben nicht ungestört.

Das wird auch 2015 so sein. Wir sind in Elmau dabei, um aus Wut Protest, aus Protest Widerstand entstehen zu lassen, und insofern hat die Polizei nicht unrecht: Für ihre Herren und Meister ist bedrucktes Papier, das agitiert und organisiert, tatsächlich gefährlicher als brennende Flaschen.

Unterstützen Sie uns dabei. Nutzen Sie die Kontaktmöglichkeiten (G7-Hotline: 030/536355-77, G7@jungewelt.de), um uns zu informieren, wenn Polizeikolonnen rollen, wenn Käfige aufgebaut werden, wenn die Bundeswehr zu Bürgerkriegsübungen mobilisiert wird. Es gibt kein ruhiges Hinterland, auch nicht in den bayerischen Alpen! (jW)

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

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