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Bundeswehr: Schausteller vor der Kamera

Neue rechtsradikale Spuren. Kaum Folgen für Video-Macher

Schlagzeilen konnte Bundesverteidigungsminister Volker Rühe mit seinem Besuch bei der Panzergrenadierbrigade 39 am Freitag in Erfurt nicht machen. Die machten erneut andere. Die Untersuchungsstellen des Heeres gehen einem neuen Hinweis auf rechtsradikale Umtriebe in der Bundeswehr nach. Das teilte das Bundesverteidigungsministerium am Freitag in Bonn zu einem Vorab-Bericht des Spiegel mit. Berichtet wird über ein im April 1996 bei der deutschen Bosnien-Truppe im kroatischen Hafen Sibenik aufgenommenes Video, in dem ein Feldwebel einen Brief und ein Stück Karton mit aufgemalten Nazi-Symbolen zeigt.

Nach Mitteilung von Hardthöhen-Sprecher Alois Bach hat die Bundeswehr inzwischen selbst einen in Sibenik stationierten Soldaten ermittelt, der einen Nazi-Gruß in betrunkenem Zustand gestanden habe. Es müsse noch herausgefunden werden, ob es sich bei dem Fall um denselben Mann handele.

Unterdessen zeichnete sich ab, daß die rechtsradikalen Skandalvideos aus dem Gebirgsjägerbataillon 571 im sächsischen Schneeberg für fünf der sechs Beteiligten voraussichtlich ohne strafrechtliche Folgen bleiben wird. Der leitende Oberstaatsanwalt Gerhard Greiner bestätigte in Zwickau einen Bericht des Focus, wonach lediglich der 24jährige Mike R. mit einer Anklage rechnen muß. Nur er habe die Videoaufnahmen, auf denen die damaligen Soldaten unter anderem den Hitler-Gruß zeigten, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Straftatbestände der Volksverhetzung, der Gewaltdarstellung und der Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen seien nicht erfüllt, wenn sich die Vorkommnisse lediglich im privaten Kreis abgespielt hätten.

Das Video sei in einer »Gruppe Gleichgesinnter« in einer Kasernenstube gedreht worden, sagte der Staatsanwalt. Die fünf anderen Soldaten hätten nicht damit rechnen können, daß die quasi privaten Aufnahmen an die Öffentlichkeit kämen. Den Vorwurf der Mißhandlung Untergebener sieht Greiner als widerlegt an. Bei den Videoszenen - unter anderem wurde die Fesselung eines Soldaten gezeigt - handele es sich um freiwillige »schaustellerische Darbietungen vor der Kamera«.

Die rechtsextreme Partei Die Republikaner berichtete am Freitag von einer »bundesweiten Verfolgungsaktion« gegen ihre Anhänger in der Bundeswehr. Nach »Jahren des unbeanstandeten Engagements für die Republikaner« würden Soldaten plötzlich aufgefordert, sämtliche Parteiämter und Mandate niederzulegen und die Partei zu verlassen, beschwerte sich Rep-Vorsitzender Burghard Schmanck in einer in Bonn veröffentlichten Erklärung. Das sei »blanke Erpressung«.

Der stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Michel Friedman, hat dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) vorgeworfen, er sei offenbar unfähig zur Beschaffung von Informationen über rechtsradikale Aktivitäten in den Streitkräften. Für ihn sei es unverständlich, daß sich der MAD so überrascht von den Berichten über rechtsextreme Zwischenfälle in der Bundeswehr gezeigt habe, sagte Friedman.

jW/AP

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