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Feindbild »Zigeuner« funktioniert noch

Bundesrat gedachte der Ermordung Tausender Sinti und Roma

Bundesratspräsident Gerhard Schröder hat die anhaltenden Vorurteile gegen Sinti und Roma beklagt. Bei einer Gedenkveranstaltung der Länderkammer zum 55. Jahrestag des sogenannten Auschwitz-Befehls zur Verfolgung und Ermordung Tausender Sinti und Roma durch die Nazis erinnerte Schröder am Freitag in Bonn daran, daß es seinerzeit in Deutschland kaum Proteste oder gar Widerstand gegen diese Maßnahmen gegeben habe. Die Nazis hätten sich auf ein weit verbreitetes Feindbild von den »Zigeunern« als »asoziale und kriminelle Subjekte« stützen können. Diese Vorurteile lebten bis heute in neuen Varianten fort.

Schröder zitierte dazu eine Allensbach-Umfrage von 1993. Danach hatten zwei von drei Befragten auf die Frage »Wen hätten Sie nicht gern als Nachbarn?« geantwortet: »Sinti und Roma«. Die meisten Befragten hätten jedoch keine persönlichen Erfahrungen mit dieser Gruppe gehabt.

In dem berüchtigten Auschwitz-Erlaß hatte der »Reichsführer SS« Heinrich Himmler am 16. Dezember 1942 die Deportation aller Sinti und Roma aus Deutschland und Österreich in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau verfügt. Dort wurden allein in der Nacht vom 2. zum 3. August 1944 fast 3 000 Kinder, Frauen und Männer in Gaskammern umgebracht.

Schröder erinnerte auch an die Rassengesetze der Nazis, die Grundlage für die Verfolgung von Juden, Sinti und Roma gewesen seien. Bis 1936 seien bereits fast 170 000 Menschen zwangssterilisiert worden. Noch bis weit in die 60er Jahre hinein sei dieses vor dem Auschwitz-Erlaß verübte Unrecht von deutschen Gerichten als »polizeiliche Vorbeugungs- und Sicherungsmaßnahme« gewertet worden. Demgegenüber sei Robert Ritter, der die pseudo-wissenschaftliche Legitimation für die Rassengesetze geliefert habe, nach Kriegsende Beamter in Frankfurt am Main geworden.

Nichts könne die grausamen Verbrechen am Volk der Sinti und Roma ungeschehen machen, betonte Schröder. Er fügte hinzu: »Aber die Anerkennung der Sinti und Roma als Opfer des Rassenwahns der Nationalsozialisten ist Voraussetzung für unsere Bitte um Versöhnung.«

AP/jW

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