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Aus: Ausgabe vom 12.05.2016, Seite 11 / Feuilleton

Deutschland als Staat

Der 14jährige Shahak Shapira kam 2003 aus Israel nach Laucha in Sachsen-Anhalt. 2015 traf er er Silvester in der Berliner U-Bahn auf Typen, die antisemitische Parolen grölten und ihn verprügelten. Pegida teilte einen Artikel über den Vorfall auf Facebook mit der Botschaft: »Muslime fühlen sich durch Pegida diskriminiert und lassen es an Juden aus.« Shapira schrieb den Verfassern, »dass sie sich verpissen sollen«, wies auch Empfehlungen aus Israel zurück, er möge lieber heimkehren. Rassismus sei immer schlimm, erklärte der 26jährige damals für viele überraschend – egal gegen wen, im übrigen fühle er sich in Berlin sauwohl. Das Medieninteresse war riesig, in mittelbarer Folge hat Shapira ein Buch geschrieben. »Das wird man ja wohl noch schreiben dürfen. Wie ich der deutscheste Jude der Welt wurde« erscheint am 21. Mai bei Rowohlt. Am Mittwoch hat der Verlag nun eine Reaktion des Autors auf die kürzlich erfolgte Einstellung des Verfahrens gegen seine Angreifer veröffentlicht: »Als die Menschen gefunden wurden, die uns damals in der Neujahrsnacht in der U-Bahn angegriffen und antisemitische Lieder gesungen haben, war ich mir sicher, dass sie ihre gerechte Strafe bekommen würden.

Da habe ich mich gewaltig geirrt. Angeklagt wurde nur einer der sieben Täter, der zwei Stunden zuvor einen anderen Menschen am Mehringdamm angegriffen und ihm irreparable Schäden im Gesicht zugefügt hat. Von Antisemitismus stand nicht mal was in der Anklageschrift. Obwohl ich seinen Bruder im Wartezimmer des Gerichtssaals als einen weiteren Täter eindeutig erkannte (genau, ich musste mit meinem Angreifer im Wartezimmer verweilen), wird keiner der weiteren Täter strafrechtlich verfolgt. Weder wegen gefährlicher Körperverletzung, noch wegen Volksverhetzung. (…)

Auch wenn mir diese Ereignisse indirekt zwei Minuten Ruhm und ein paar Judenwitze mehr beschert haben, macht mich das unheimlich sauer und traurig, dass Deutschland als Staat sich in meinem Fall seiner Verantwortung entzieht«. (jW)

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