Schöner Drogennehmen. »Interzone« von Trümmer
Von Christof MeuelerDrogen soll man nehmen, wenn man sich gutfühlt. Klappt nicht so oft, und da fangen die Probleme an. Wer sich gutfühlt, der soll »Interzone« hören, eine schöne Drogenplatte von Trümmer. Fast alle Lieder sind drogeninduziert, drogengeschwängert, drogenthematisch oder machen eventuell drogenabhängig. »Du siehst die Dinge und fragst: Warum? / Ich seh sie auch und frag’: Warum nicht?« heißt es im ersten Lied »Wir explodieren«. Tun wir das? Wär’ doch hübsch.
Die meisten Rezensenten regen sich lieber über den Refrain auf: »Wir sind die Kinder, vor denen uns die Eltern warnten«. Denn das wurde von den 68er-Eltern schon auf den Seyfried-Aufklebern der späten 1970er Jahre behauptet. Und wenn es für deren Kinder wiederum stimmen sollte, ist das doch besser als die üblichen »Fritzchen«-Witze im normalen BRD-Pop.
Auf dem Albumtitel »Interzone« lastet eine noch schwerere Symbolgeschichte. Im Titel schwingt schon der Junkiepapst William S. Burroughs mit, oder eine vor langer Zeit beliebte Heroin-Blues-Band aus Westberlin. Aber weil wir 2016 haben, handeln die Texte von Trümmer nicht von Schlössern, Gärten, Drachen wie bei den opiatgestimmten Intellektuellen aus früherer Zeit Novalis, Thomas de Quincey oder Charles Baudelaire, sondern von der Angst und deren Überwindung. Trümmer sind eine unpsychedelisch wache Indierockband aus Hamburg.
Überhaupt sind sie gutaussehend und geschickt. Sie denken viel darüber nach, mit welchen Gesten und Geschichten sie heute noch schillern können, wenn doch alles schon irgendwie mal irgendwie da war, meistens eben um 1968 herum. Also gilt es, Luft zu holen: »Du bist die Wahrheit, / ich die Lüge / Du bringst das Licht, / ich die Intrige / Du bist die Vernunft, / ich der Wahn / und trotzdem kommt es auf uns an«. Das ist immer noch das Lied »Wir explodieren«.
2014 veröffentlichten Trümmer ein sehr überzeugendes Debütalbum, das politischen Zorn, Anti-Entfremdungs-Gitarrenrock und klassische Indie-Identitätsparolen neu mischte. 2015 machten Trümmer eine Rockoper, noch so eine Kunstform der späten 60er, aber schon überwiegend vergessen und verkannt. Im Titellied des neuen Album singen sie programmatisch: »Lasst mich in Ruhe mit eurer Ruhe / Ich hab’ zu tun, ich fahr’ Schlangenlinien durch den Tag«, allerdings geht es da um Liebeskummer. Auf Drogen geht es besser: »Und mein Herz pocht schneller-schneller / Wir sind somewhere in between / Die Sterne leuchten heller-heller. / Wir sind Nitroglycerin«, lautet der Refrain im nächsten Lied.
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