Mehr Lässigkeit
Von Michael SaagerDass die Kritiker Ryley Walker in Scharen zu Füßen lägen, ist eher ein Gerücht. Und dass die Konzerte des 27jährigen Singer-Songwriters aus Chicago häufig ausverkauft sind, rührt vor allem daher, dass der hochtalentierte Gitarrist und nicht ganz so talentierte Sänger größere Konzertsäle bislang nicht bespielt hat. Könnte bald kommen. Wünschen sollte man es ihm durchaus, zumal Walkers viertes Album sehr schön geworden ist. Hoffentlich versaut er es dann nicht, weil er, zugedröhnt von was auch immer, die Saiten auf dem Instrument nicht mehr findet. Soll’s bei ihm schon gegeben haben.
Erfreulich an »Golden Sings That Have Been Sung« sind gleich ein paar Dinge. Da ist etwa Walkers Virtuosität an der akustischen Gitarre, die er nun mit größerer Lässigkeit und in aller Ruhe durchklingen lässt, nicht mit hektischen Griffwechseln und superflinkem Fingerpicking ausstellt, wie er das noch auf dem Vorgänger »Primrose Green« tat. Auch sein Gesang hat mehr Understatement, gleitet spielerischer dahin, wirkt weniger gepresst, bäumt sich nur noch selten auf gegen die Limitierungen des stimmlichen Ausdrucksvermögens. Und so klingt Walker bisweilen wie der große Jim O’Rourke auf seinen geschmackssicheren Singer-Songwriter-Alben. Nicht die schlechteste Referenz.
Überhaupt erinnert »Golden Sings That Have Been Sung« mit seiner atmosphärischen Feinsinnigkeit und einer dem Jazz und der Postrock-Avantgarde gewogenen Feingliedrigkeit an die Chicagoer Szene der 90er, an The Sea and Cake und Tortoise. Der Psychedelic-Rock von Grateful Dead und der britische Sixties-Folk von John Martyn und Bert Jansch – sie sind nun eher in Nuancen zu vernehmen. Anders gesagt: Das rundere Rad dreht sich weiter.
Ryley Walker: »Golden Sings That Have Been Sung« (Dead Oceans/Cargo Records)
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