Wahre Tierrechte (10)
Von Wiglaf DrosteVon Wiglaf Droste
Nachdem die Tiere gemolken, gefüttert und fürs erste versorgt waren, machte sich Jochen auf den Weg zum Gatter, von wo aus es immer heftiger und lauter herübertönte. Er zog die Joppe fester und wappnete sich. Ein sachtes Stupsen gegen den Rücken ließ ihn innehalten, er dreht sich um. »Warte noch einen Moment, Bauer«, flüsterte ihm die Kuh ins Ohr. »Lass uns erst mal beraten, was überhaupt Phase ist.«
Jochen willigte mit einem Kopfnicken ein.
»Es ist doch so«, erklärte ihm die Kuh geduldig. »Die Leute da draußen sehen in uns nichts als Nutzvieh, aber sie wollen schlafen wie auf einem sanften Ruhekissen. Dafür zahlen sie auch, sogar gut, für das Gefühl, ein guter Mensch zu sein. Und dafür brauchen sie Leute wie dich. Du lieferst ihnen die gute, saubere Ware, und sie müssen sich keinen Kopf mehr machen. Das ist ein Deal, wie früher, als der Priester den Wein segnete.«
»So siehst du mich?« fragte der Bauer betreten, aber die Kuh tröstete ihn auf der Stelle. »Nein. Wir wissen, dass du uns gut behandelst. Du bist ein feiner Kerl. Aber am Ende werden wir doch geschlachtet, ob wir nun Namen tragen oder nicht. Und genau da müssen wir raus.« Er ahnte, dass die Kuh recht hatte. Aber was sollte er tun? Ratlos stiefelte er der Umzäunung zu, hinter der sich sichtlich feindlich Gesinnte versammelt hatten.
Fortsetzung folgt.
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