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Aus: Ausgabe vom 02.05.2020, Seite 16 / Aktion
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Seid wachsam!

Warum sich Linke niemals auf eine Querfront mit Nazis einlassen sollten
Von Dietmar Koschmieder
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Die braune Pest verjagt: Rotarmist hisst die Sowjetfahne auf dem Reichstag in Berlin (2. Mai 1945)

Vor 75 Jahren wurde Berlin vom Nazipack befreit. Seither eint linke Kräfte in Deutschland über alle Unterschiede hinweg die Überzeugung: Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg! In Sachen Krieg hat die Linke hierzulande allerdings schon schwere Niederlagen hinnehmen müssen. Auslandseinsätze der Bundeswehr bis hin zum völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien 1999 wurden ausgerechnet durch jene möglich, die sich früher selbst zur Linken im Land gezählt hatten: den sozialdemokratischen Bundeskanzler (und ehemaligen Stamokap-Juso) Gerhard Schröder und seinen »grünen« Außenminister (und einstigen Streetfighter) Joseph Fischer. Wer sich links versteht, wird ihnen und ihren Parteien diesen Sündenfall niemals verzeihen. Zumal mit ihm der Auftakt einer Entwicklung markiert wurde, mit der Kriege wieder als normale Option deutscher Politik etabliert werden sollen – und an deren Ende wesentlich größere Kriege stehen werden, wenn wir dies nicht verhindern.

Soviel zum Thema »Nie wieder Krieg!« Und die Forderung »Nie wieder Faschismus«? Auch hier wurde schon vieles in die Wege geleitet, um im Notfall die aggressivste kapitalistische Herrschaftsform als Nachfolgerin für die bestehende, aber schwächelnde bürgerlich-demokratische Variante ins Gespräch zu bringen. Faschisten können sich mittlerweile feinbürgerlich in Nadelstreifen als »Alternative für Deutschland« und auf den Straßen und TV-Kanälen als Oppositionsführer präsentieren, die ganz offen den »Tag X« ihrer Machtübernahme vorbereiten. Durch die Coronakrise wird immer deutlicher, dass der auf Profitmaximierung orientierte Kapitalismus den Anforderungen für eine menschengerechte Gesellschaft niemals entsprechen kann. Die Alternative von rechts besteht nun darin, auf solche Anforderungen einfach zu verzichten. Die von links will mit der Vergesellschaftung der Produktionsmittel die Profitlogik brechen, um damit überhaupt erst die Voraussetzungen für eine menschengerechte Gesellschaft zu schaffen. Aus diesem dramatischen Unterschied heraus ergibt sich aber zwingend, dass Linke dieses Ziel niemals gemeinsam mit Faschisten erkämpfen können!

Im politischen Tageskampf kann es zuweilen so scheinen, als ob Nazis und Linke ähnliche Teilziele verfolgten. Nicht nur von rechter Seite wird dieser Eindruck gerne benutzt für das Argument, dass man sich mit Begriffen wie rechts oder links nicht spalten lassen dürfe. Noch weiter geht die Behauptung, es gäbe heute gar kein Rechts oder Links mehr, sondern nur noch das gemeinsame Ziel. Aber diese Argumentation ist nichts als Augenwischerei: Wer im politischen Kampf Nazis die Tür öffnet und sie zu Tisch bittet, muss deshalb selbst noch lange kein Rechter sein. Er darf sich aber nicht wundern, wenn Nazis diesen Platz dann tatsächlich einnehmen und ihn für ihre Ziele nutzen, die niemals die unsrigen sein können. Der Ruf der Überlebenden, die vor 75 Jahren aus den Konzentrationslagern befreit wurden, bleibt aktuell wie eh und je: Seid wachsam! Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Matthias G. (3. Mai 2020 um 16:49 Uhr)
    Aus der Relativierung des Unterschieds von links und rechts folgt nicht notwendigerweise eine naziaffine Haltung, auch wenn (nicht nur) Dietmar Koschmieder das immer wieder unterstellt. Im Gegenteil – man kann z. B. leicht feststellen, dass die Parole »Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!« tatsächlich auch von den Nachdenkseiten und von KenFM – um nur zwei Vertreter der sog. alternativen Medien zu nennen – vertreten wird. Beiden Portalen wird jedoch auch von linker Seite regelmäßig vorgehalten, an einer dubiosen »Querfront« mitzuwirken, und geradezu reflexhaft werden »Verschwörungstheorien« beschworen. Doch aus solchen Unterstellungen sprechen vor allem Unwissenheit und schlampige Recherche oder die Absicht zur gezielten Diffamierung, deren Gründe vielfältig sein können. Gelegentlich verbinden sich beide Motive, wie z. B. bei dem infamen jW-Artikel von S. Carlens vom 24.4.2020. Wohlgemerkt: Es geht nicht darum, dass alles, was auf diesen Portalen zu lesen ist, vollkommen überzeugend ist. Das ist bei diesem Format ohnehin nicht beabsichtigt. Aber die grundsätzliche Ausrichtung ist klar: Faschisten wurde und wird weder »die Tür« geöffnet, noch wurden oder werden sie »zu Tisch« gebeten – im Gegensatz etwa zu vielen Talkshows im öffentlich-rechtlichen Fernsehbetrieb, um von den Parlamenten oder gar den Ämtern für Verfassungsschutz zu schweigen. Dazu kommt: Der Aufklärungseffekt ist bei manchen Beiträgen höher als bei der Lektüre der jW. Vermutlich ist dies ein Punkt, der viele Leserinnen und Leser hier zunehmend irritiert. Und die jW ist offenbar nur in begrenzter Weise fähig oder dazu bereit, vernünftig damit umzugehen.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Thomas P. (2. Mai 2020 um 19:46 Uhr)
    2. Beitrag – diesmal nicht polemisch, sondern folgende Thesen:

    1) Die Corona-Pandemie als »Hauptursache« der gegenwärtigen wirtschaftlichen Rezession liefert ein hervorragendes Alibi für die Finanzoligarchie (total überschuldete, verzockte neoliberale Schrottwirtschaft) und lenkt damit bisher leider erfolgreich von den realen Ursachen der heraufziehenden Weltwirschaftskrise ab.

    2) Die Corona-Pandemie gibt z. B. der BRD-Regierung/-Exekutive ein Ermächtigungsgesetz/Notstandsgesetz (mit Zustimmung aller Parteien/Ausnahme Nazi-AfD) die willkommene Möglichkeit, qua »Gesundheits«-Diktat alle Grundrechte auf unbegrenzte, unbestimmte Zeit außer Kraft zu setzen bzw. nach Belieben auszuhebeln – bis angeblich wirksame Medikamente und Impfstoffe »auf dem Markt« sein werden. Kann ewig dauern! Dazu ein wirksames Herrschafts- und Unterdrückungsinstrument bei erwarteten Unruhen.

    Der Überwachungsstaat ist bereits Realität und wird permanent perfektioniert (u. a. Tracking-Apps, Körpertemperatur messende Überwachungsdrohnen). In Dänemark sind entsprechende Zwangsmaßnahmen (Zwangsuntersuchung, Zwangsimpfung, Zwangsbehandlung, für deren Durchsetzung Militär, Polizei, private Sicherheitsdienste zu mobilisieren sind) bereits in Kraft.

    3) Die BRD-Exekutive mehrt mit Hilfe der Notstandsgesetze die Profite der Großkonzerne (Amazon usw.), der Finanzspekulation (Banken/ Hedgefonds usf.) und fördert tatkräftig die ohnehin schon gigantische Kapitalkonzentration.

    Die kapitalistischen Staaten sind völlig unfähig, sind quasi am Ende; sie können nicht einmal mit geringsten Maßnahme der übermächtigen weltweiten Finanzoligarchie begegnen. Also absolut kein neuer »New Deal« (Trennbankensystem, Verbot von Leerverkäufen u. Aktienrückkäufen, hohe Besteuerung von Vermögen und Profiten, Schuldenerlass, Konjunkturprogramme für Infrastruktur uvm.).

    D. h. konkret, die aufkommende Weltwirtschaftskrise sowie die ohnehin übermächtige, gigantische Konzentration von Macht und Reichtum der Finanzoligarchie werden damit zusätzlich befeuert.

    Wer naiv glaubt, »Muttis« Notstandsmaßnahmen seien für das Leben und gegen den Profit gerichtet, sei deutlich eines besseren belehrt:

    Nicht nur mittelständische Betriebe werden z. B. von Amazon gnadenlos rasiert oder z. B. von Blackstone zu Spottpreisen aufgekauft, auch das Finanzkapital spekuliert »lebhaft« (Aktienrückkäufe, Leerverkäufe usw.); WHO-»Präsident«-Impfpapst Bill Gates darf sich in Erwartung von Milliarden besonders freuen.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Hagen R. (2. Mai 2020 um 20:30 Uhr)
      Ohne Polemik gefällt mir Ihr Beitrag viel besser.

      All diese Sorgen vor Folgen finde ich sehr berechtigt. Es sind ja im Wesentlichen Verteilungsfragen für eine Welt nach der Coronakrise.

      Aber:

      – Unruhen waren vor Corona gar keine zu erwarten. Sie wissen, die Behauptung, der Kapitalismus würde jetzt bestimmt sehr bald zusammenbrechen, ist fast so alt wie er selbst. Ihre Theorie, wozu die Regierung die Vollmachten bräuchte, ist also sehr wackelig.

      – Ist Ihr Plan (wenn ich das richtig vermute), die beschriebene Umverteilung mit den KenFM-»Bürgerrechtlern« zusammen zu verhindern, aussichtsreich genug, um dafür jetzt Zehntausende Menschenleben in einer zweiten Infektionswelle zu riskieren (und zwar nicht die Ihren)? Man muss ja nur mal nach z. B. Großbritannien schauen, um zu sehen, wie viele es mindestens würden.

      – Ist ein Kampf um Bürgerrechte und Verteilungsfragen nicht dann viel sinnvoller und mehr Menschen zu vermitteln, wenn die Bedrohung durch Corona tatsächlich nicht mehr besteht?
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Thomas S. (1. Mai 2020 um 22:19 Uhr)
    Jeder Querfrontgeganke wird der Linken quer im Halse stecken bleiben. D'accord. Ich habe aber eine Frage: Warum werden reputierte, in fachlicher Opposition zu den regierungsoffiziellen Wissenschaftlern stehende Kollegen (Bhakdi, Mölling, Höckerts, Wodarg, Ioannidis ...) in unseren linken Medien nicht wahrgenommen, ihre Positionen den offiziellen nicht gegenübergestellt? Ich verlange nicht, dass man sich mit ihnen gemein machen muss. Auch Herrn Drostens Vorgänger kritisiert die Einschätzungen seines Nachfolgers scharf, sieht Corona als grippeähnliches Phänomen. Die von mir namentlich Genannten sind keine Esoteriker oder Rechten.

    Denken man bei der jW etwa: Wenn Länder wie China oder Kuba das auch so machen wie der Wertewesten, muss es schon irgendwie richtig sein? Dann möchte ich zu bedenken geben: Wenn zwei das gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe. Einer gleichen Handlung können sehr verschiedene Voraussetzungen und Motive zugrunde liegen. Während A. eine Biene an der Wand totschlägt, weil er hochradig allergisch gegen Bienengift ist, schlägt B. die Biene tot, weil ihm langweilig ist oder er Spaß daran hat.

    In die sich auftuende Lücke springen zunehmend die »alternativen Medien«, von denen einige nicht gerade appetitlich sind, und natürlich diverse rechte Gruppierungen. Wir sollten denen das Feld verengen, ohne uns aufs gleiche Feld wie sie zu stellen.

    Rote Grüße
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Franz S. (2. Mai 2020 um 16:01 Uhr)
      Wie kommen Sie darauf, dass China und Kuba das gleiche tun wie der »Wertewesten«?

      China hat rechtzeitig rigorose Maßnahmen ergriffen, während man in Ischgl und anderswo noch fröhliche Partys feierte.

      Das seit Jahrzehnten mit Sanktionen geplagte Nordkorea ist im Gegensatz zum »Wertewesten« in der Lage, die Bevölkerung mit Schutzmasken zu versorgen und mit umfangreichen Hygienemaßnahmen das Eindringen des Virus zu verhindern.

      Dass sozialistische Länder ganz anders in der Lage sind, auf solche Katastrophen zu reagieren als Länder mit privatisierten, kaputtgesparten Gesundheitssystemen im »Wertewesten«, ist Ihnen mit Ihren pseudo-»roten Grüßen« wohl entgangen.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Wolfgang R. (1. Mai 2020 um 20:34 Uhr)
    Ja, man muss wachsam sein; allerdings auch gegenüber der jungen Welt. Ich kann nicht erkennen, dass sie energisch gegen den Staatsstreich kämpft. Lieber werden dann Leute wie in Berlin, die versuchen zu kämpfen, diffamiert. Dass Rechte eingeladen werden, ist eine Verleumdung. Dass Rechte versuchen, sich Aktionen anzueigenen, überrascht nicht. Das ist allerdings nur möglich, weil die Linke fast ein Totalausfall in diesem Kampf ist.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Hagen R. (2. Mai 2020 um 12:07 Uhr)
      Mit Ihrem »Staatsstreich« übernehmen Sie hier einen Begriff der Rechten. Ich kann keinen Staatsstreich erkennen, sondern das Bemühen der gewählten Regierung, sogar auf Kosten von Profit Menschenleben zu retten.

      Sollten nach erfolgreicher Eindämmung der Pandemie Bürgerrechte eingeschränkt bleiben, muss man sie wieder erkämpfen. Aber soweit sind wir leider noch nicht.
      • Leserbrief von Onlineabonnent/in Matthias G. (2. Mai 2020 um 15:37 Uhr)
        »... das Bemühen der gewählten Regierung ...« – diese Floskel bedarf keines Kommentars, sondern nur einer kleinen Korrektur: Gewählt wurde lediglich die Kanzlerin, uzw. vom Parlament. Das übrige Regierungspersonal wurde ernannt.
        • Leserbrief von Onlineabonnent/in Hagen R. (2. Mai 2020 um 19:32 Uhr)
          Da haben Sie völlig recht, genau so ist es.

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