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Aus: Ausgabe vom 29.05.2024, Seite 1 / Titel
Krieg gegen Gaza

Drei Staaten für Zweistaatenlösung

Spanien, Norwegen und Irland erkennen Palästina an. Israel greift erneut Zeltlager vertriebener Palästinenser an
Von Ina Sembdner
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Barcelona in den Farben Palästinas bei einer Demonstration am 20. Januar

Licht und Schatten liegen nah beieinander. Während Spanien, Norwegen und Irland am Dienstag die zuvor angekündigte Anerkennung des Staates Palästina umgesetzt haben – auf Grundlage der Grenzen von 1967 – sind gleichentags erstmals israelische Panzer in das Zentrum Rafahs vorgerückt. Und erneut sind nach Angaben örtlicher Behörden und Mediziner Zeltbehausungen vertriebener Palästinenser in einem als »humanitäre Zone« ausgewiesenen Gebiet angegriffen worden. Zwei Tage nach einem israelischen Luftangriff mit mindestens 45 Toten – darunter nach Angaben der Armee »zwei hochrangige Hamas-Terroristen« – auf ein anderes Lager, meldeten die Rettungsdienste, dass vier Panzergranaten eine Ansammlung von Zelten in Al-Mawasi westlich von Rafah getroffen hätten. Bis zum Nachmittag wurden 21 Tote gemeldet, insgesamt seien in der Enklave innerhalb von 24 Stunden mindestens 46 Menschen getötet und 110 verwundet worden.

Zum auch international heftig kritisierten Luftangriff, bei dem Kampfjets nach Angaben der Armee »zwei kleine Geschosse mit je 17 Kilogramm Sprengkopf« eingesetzt hätten, um »zivile Opfer zu vermeiden«, kam die Propagandamaschinerie am Dienstag richtig ins Rollen. Am Sonntag abend hatte die Militärführung den »Vorfall« unmittelbar verteidigt, einen Tag später ruderte Premier Benjamin Netanjahu zurück und sprach am Abend im Parlament von einem »tragischen Fehler«. Die Tragödie sei trotz der israelischen Bemühungen, Schaden von Zivilisten abzuwenden, geschehen. Zugleich betonte Netanjahu: »Ich werde nicht nachgeben oder kapitulieren. Ich werde den Krieg nicht beenden, bevor wir alle unsere Ziele erreicht haben.« Tags darauf präsentierte das Militär dann weitere Informationen und behauptete unter anderem – trotz gegenteiliger Aussagen von Hilfsorganisationen –, dass es nicht innerhalb der »humanitären Zone« zugeschlagen habe.

Der Internationale Gerichtshof (IGH) hatte Israel am Freitag dazu verpflichtet, den Einsatz in Rafah unverzüglich zu beenden. Und der dahingehende Druck steigt auch von seiten der EU. Der Außenbeauftragte Josep Borrell verkündete am Montag nach einem Treffen der EU-Außenminister, dass Einstimmigkeit erzielt worden sei, um einen Assoziationsrat mit Israel zu fordern. Es solle um die Achtung der Menschenrechte gehen und darum, wie Israel die IGH-Entscheidung umsetzen wolle, sagte Borrell. Seit der Verkündung der Entscheidung sei nicht die Einstellung der militärischen Aktivitäten zu beobachten, sondern »im Gegenteil: eine Zunahme der militärischen Aktivitäten, eine Zunahme der Bombardierungen und eine Zunahme der Opfer unter der Zivilbevölkerung«.

Parallel dazu erhoffen sich Spanien, Norwegen und Irland mit ihrem Schritt einen Impuls für die sogenannte Zweistaatenlösung. Die israelische Regierung hatte allerdings schon vorige Woche unmittelbar nach der Ankündigung die Botschafter der drei Länder einbestellt, um ihnen eine Rüge zu erteilen. Netanjahu bezeichnete die Anerkennung Palästinas als »Belohnung für Terrorismus«. Vor allem der sozialdemokratischen Regierung in Madrid gelten die Attacken, konsularische Dienste für Palästinenser wurden den spanischen Vertretungen untersagt, am Dienstag legte Außenminister Israel Katz nach und drohte, dass Madrid mit der Anerkennung »an der Aufwiegelung zum Mord am jüdischen Volk und zu Kriegsverbrechen beteiligt« sei. Dies dürfte dann auch für die 142 UN-Mitglieder gelten, die dies bereits getan haben.

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  • Leserbrief von Raimon Brete aus Chemnitz (29. Mai 2024 um 10:16 Uhr)
    Palästina – jetzt endlich werden erste kleine Schritte hin zur Lösung eines mörderischen Konflikts, der 1948 sehenden Auges mit der Vertreibung der Palästinenser begonnen hat, unternommen. Erinnert sei an die Zwangsräumung von elf Stadtvierteln und 531 Dörfern, von denen viele dem Erdboden gleichgemacht wurden. Unvorstellbar. 800 000 Menschen mussten fliehen. Bereits 1938 äußerte David Ben-Gurion (erster Ministerpräsident Israels): »Ich bin für Zwangsumsiedlung, darin sehe ich nichts Unmoralisches«! Nach weltweiten massenhaften Protesten gegen den an eine ethnische Säuberung grenzenden Krieg Israels im Gaza-Streifen, wird mit der Anerkennung Palästinas und damit der Zweistaatenlösung, konkret etwas für eine mögliche Friedenslösung getan. Unsere besondere Verantwortung besteht nicht im bedingungslosen Bekenntnis zu Israel, sondern auch einer Haltung für das, was die zionistische Bewegung und später der Staat Israel den Palästinensern jahrzehntelang angetan haben. Wer im Nahen Osten Frieden wirklich will, muss sich für einen demokratischen Staat im historischen Palästina einsetzen und die Rückkehr der Palästinenser unterstützen.
  • Leserbrief von Ullrich-Kurt Pfannschmidt (29. Mai 2024 um 09:08 Uhr)
    Wenn in einem jW-Artikel Bezug auf die Zweistaatenlösung genommen wird, folgt gewöhnlich, so auch hier, der Hinweis, dass Israel dagegen ist. Und wie stehen die Palästinenser dazu? Es fällt auf, dass sie dazu schweigen, und leider fragt sie auch niemand danach. Bekannt ist aber deren neue Parole: »From the River to the Sea, Palestine will be free«. Das heißt nicht mehr und nicht weniger, als dass das Gebiet zwischen dem Jordan-Fluss und dem Mittelmeer (irgendwann) »frei« sein wird, d. h., frei von dem verhassten Staat Israel. Um dort, gemäß dieser Parole, einen Staat »Palästina« zu errichten. Aber das wäre ganz bestimmt keine »Zweistaatenlösung«! – Mit der Anerkennung von Palästina haben die drei Staaten gute Möglichkeiten, nicht nur das von ihnen schon anerkannte Israel, sondern auch die Palästinenser von den Vorteilen der Zweistaatenlösung zu überzeugen!

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