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Aus: Ausgabe vom 01.07.2024, Seite 5 / Inland
Union Busting

Eurotrade feuert Betriebsrätin

Engagierte Beschäftigte und Gewerkschafterin wird vor Aufsichtsratswahl am Münchner Flughafen mit dubioser Begründung gekündigt
Von Gudrun Giese
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Der Handelskonzern betreibt die Shoppingmeile am Münchner Flughafen

Dieser Fall dürfte ziemlich einzigartig sein: Kurz vor einer für diesen Montag anstehenden Aufsichtsratswahl kündigte die Handelsgesellschaft Eurotrade einer Gewerkschaftskandidatin für das Gremium. Am Wochenende mussten Gerichte im Eilverfahren zunächst über die Unzulässigkeit dieses Vorgangs entscheiden. »Unsere Kollegin Neli Birks ist nicht einfach eine Betriebsrätin, sondern vielmehr eine durch und durch engagierte Gewerkschafterin«, betont der für Eurotrade zuständige Münchner Verdi-Sekretär Dominik Datz. »Sie hat dafür gesorgt, dass in der letzten Tarifrunde regelmäßig bis zu 50 Prozent der Geschäfte am Münchner Flughafen über Tage hinweg streikbedingt geschlossen blieben.« Eine Gerichtsentscheidung lag junge Welt bis Redaktionsschluss am Sonntag nicht vor.

Eurotrade ist für Betrieb und Vermietung des gesamten Shoppingbereichs an diesem Airport zuständig, und ein Tochterunternehmen der Flughafengesellschaft München. Birks anhaltendes Engagement muss das Unternehmen offenbar stark verärgert haben, denn vor einigen Tagen wurde ihr fristlos und ohne Angabe von Gründen gekündigt. Gerüchten nach hieß es, sie habe eine dienstliche Mail auf ihren Privataccount weitergeleitet. Versuche, unliebsame Beschäftigtenvertreter loszuwerden, gebe es immer wieder, doch dieser Fall sei anders gelagert, betont Dominik Datz. Es sei ihm noch nicht untergekommen, dass einer aussichtsreichen Aufsichtsratskandidatin kurz vor der anstehenden Wahl gekündigt werde, erklärte er im jW-Gespräch. Das Mitbestimmungsrecht sehe einen solchen Fall auch gar nicht vor.

Neli Birks war nicht allein am Flughafen aktiv bei der Streikorganisation in den dortigen Shops. Sie gehörte der Verdi-Verhandlungskommission bei den Tarifrunden für den bayerischen Einzelhandel an. Außerdem packt sie kontroverse Themen wie schlechte Arbeitsbedingungen und miserable Arbeitszeitgestaltung an. »Das alles belegt ihr herausragendes Engagement, bevor sie auf eine plumpe und konstruierte Art und Weise durch die Kündigung gestoppt wurde. Das ist einfach skandalös«, so Verdi-Sekretär Datz. Das Ganze kurz vor den Aufsichtsratswahlen loszutreten bedeute letztlich auch, die Kollegin und ihre Gewerkschaft an einem fairen Wahlkampf zu hindern. Aber er ist sich zugleich sicher, dass Neli Birks sich nicht stoppen lassen werde.

Die Konstruktion, der Kollegin die missbräuchliche Weiterleitung einer dienstlichen Mail zu unterstellen sei absurd, denn Eurogate verschicke selbst »regelmäßig E-Mails mit datenschutzrelevanten Informationen an die privaten E-Mail-Adressen von Betriebsrät*innen«, empörte sich Hubert Thiermeyer, der Leiter des Fachbereichs Handel bei Verdi Bayern in einer Mitteilung. Die Information, Birks habe eine Mail angeblich weitergeleitet, könne Eurotrade zudem eigentlich nur durch den illegalen Zugriff auf ihren Account erhalten haben. »Das ist der eigentliche Datenschutzskandal am Flughafen München.« Trotz Aufforderung sei das Unternehmen bisher nicht seiner Verpflichtung nachgekommen, den vermuteten Datenschutzverstoß aufzuklären.

Juristisch vertreten wird Neli Birks von dem erfahrenen Münchner Arbeitsrechtler Rüdiger Helm, der die außerordentliche Kündigung als »rechtlich unhaltbar« einstufte. Diese sei in einem Maße »schikanös«, wie es ihm schon lange nicht mehr untergekommen sei. Die »engagierte Kollegin« habe in der Vergangenheit »Fehlverhalten von Unternehmensverantwortlichen vor Gericht aufgedeckt«, die nun mit der ganz offensichtlich haltlosen Kündigung Rache gegenüber der Gewerkschafterin ausüben wollten. Das Ganze sei eine »beispiellose Täter-Opfer-Verdrehung«, sagte der Rechtsanwalt. Beim Arbeitsgericht wurde bereits Kündigungsschutzklage eingereicht. Außerdem hat Verdi Eurotrade aufgefordert, Neli Birks umgehend den Zugang zum Betrieb zu gewähren, um den Schaden durch die Wahlbeeinträchtigung nicht noch größer werden zu lassen. Inzwischen erklären sich immer mehr Kolleginnen und Kollegen solidarisch mit der engagierten Gewerkschafterin.

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