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Aus: Ausgabe vom 05.07.2024, Seite 6 / Ausland
Ecuador

Ausnahmezustand für Arbeiter

Ecuador: Gewerkschaften nach Benzinpreiserhöhungen in der Offensive gegen neoliberalen Umbau des Präsidenten Noboa
Von Volker Hermsdorf
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Für Gewerkschafter, die Straßen blockieren, hat die Polizei vor allem Repression übrig (Quito, 12.6.2024)

In Ecuador demonstrieren Gewerkschaften, indigene Verbände und andere soziale Organisationen seit Tagen gegen die von Präsident Daniel Noboa angeordnete Senkung der Benzinsubventionen. Während der Dachverband der ecuadorianischen Gewerkschaften (Frente Unitario de Trabajadores, FUT) und mehr als hundert zivilgesellschaftliche Gruppen für Donnerstag zu einem landesweiten Aktionstag aufriefen, verließ der Staatschef am Mittwoch das Land, um in Peru mit Putschpräsidentin Dina Boluarte zu konferieren. Vor seiner Abreise hatte der Bananenunternehmer am Dienstag noch zum dritten Mal den Ausnahmezustand über einen Teil des Landes verhängt, obwohl zwei vorangegangene vom Verfassungsgericht aufgehoben worden waren, das die Maßnahme für »nicht ausreichend gerechtfertigt« hielt.

Ebenfalls am Dienstag begannen in Quito, Guayaquil und anderen Städten größere Proteste. Im Internet kursieren Bilder von Straßenblockaden, brennenden Reifen und Demonstranten mit Spruchbändern gegen die Abschaffung der staatlichen Subvention für Kraftstoffe. Dadurch kostet eine Gallone Benzin (3,79 Liter) statt 2,40 nun 2,70 US-Dollar. Ein Demonstrant erklärte – umgeben vom Rauch der brennenden Reifen –, dass die Maßnahme »mehr Menschen zur Armut verdammt«. Nachdem die Regierung im März bereits die Mehrwertsteuer von zwölf auf 15 Prozent angehoben hatte, sei dies »ein weiterer Schlag gegen die Familien«, hatte die Konföderation der indigenen Nationalitäten Ecuadors (Conaie) bereits in einer am Freitag veröffentlichten Erklärung protestiert.

»Der IWF befiehlt, und Noboa gehorcht«, lautete ein Slogan der Demonstranten. Obwohl nämlich die Mehrheit der Bevölkerung Ende April in einem Referendum zwei Vorschlägen zum weiteren neoliberalen Umbau der Wirtschaft eine Abfuhr erteilt hatte, befolge der Staatschef blind die Vorgaben des Internationalen Währungsfonds. Der Koordinator der indigenen Pachakutik-Partei, Guillermo Churuchumbi, hatte nach der damaligen Abstimmung darauf hingewiesen, dass vier von zehn jungen Menschen keine Arbeit hätten, fast sechs Millionen Ecuadorianer von drei Dollar und zwei Millionen von einem Dollar pro Tag lebten. 80 Prozent der Bevölkerung möchten auswandern. Da die informelle Arbeit 2023 bereits mehr als 50 Prozent der Wirtschaft ausmachte, ist keine Besserung in Sicht. Höhere Kraftstoffpreise dürften im Gegenteil nahezu alle Waren verteuern und die Spirale aus Armut, Hunger und Gewalt weiter vorantreiben.

Während Conaie dem Staatschef vorwirft, »ein Klima sozialer Unruhen« zu erzeugen, tat sein Regierungssprecher Esteban Torres die Warnung des größten Indigenenverbandes und der Gewerkschaften als »eine Wahlkampfposition im Hinblick auf die Neuwahlen« im Mai 2025 ab, berichtete die spanische Nachrichtenagentur Efe. Trotz Dementis hatte Noboa zugleich aber in über sechs Provinzen einen neuen 60tägigen Ausnahmezustand verhängt und die Maßnahme mit »schweren inneren Unruhen« und »internen bewaffneten Konflikten« begründet. Außer durch Not und Armut wird die eskalierende Gewalt einer Studie zufolge vor allem durch die illegale und unkontrollierte Einfuhr von Waffen US-amerikanischer Herkunft verschärft. Carla Álvarez Velasco, eine Expertin für Sicherheitsfragen vom ecuadorianischen »Instituto de Altos Estudios Nacionales«, plädiert deshalb in einem von RT am Dienstag veröffentlichten Beitrag dafür, »Druck auf Washington auszuüben, um den illegalen Waffentransit zu stoppen«.

Davon will Noboa allerdings nichts wissen. Beim Treffen mit seiner peruanischen Amtskollegin Boluarte, die zur Bekämpfung der Gewalt in ihrem Land ebenfalls lieber auf Repression setzt, sollte es laut der Tageszeitung El Universo um Fragen der Umwelt, der Wasserressourcen, der Energie sowie »der Sicherheit und Verteidigung« gehen. Für die Chefin des Putschistenregimes ist Noboas Besuch ein willkommener Anlass, sich nach fast 100 Tagen wieder vor Pressevertretern zu präsentieren. Nach ihrem letzter Medienauftritt aus Anlass des »Rolex-Falls«, in dem ihr wegen des ungeklärten Besitzes von Luxusuhren ungerechtfertigte Bereicherung vorgeworfen worden war, hatte Boluarte Pressekontakte vermieden.

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