Multipolare Realität
Von Jörg Kronauer![7.jpg](/img/450/196901.jpg)
Chinas Präsident Xi Jinping hat auf dem am Donnerstag zu Ende gegangenen Gipfeltreffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) zum Kampf gegen »äußere Einmischung« aufgerufen. Die Mitgliedstaaten der Organisation sollten »ihre eigene Zukunft und ihr eigenes Schicksal fest in die eigenen Hände nehmen«, betonte Xi in Kasachstans Hauptstadt Astana. Mit Blick auf die »echte Herausforderung«, die »Einmischung und Spaltung« darstellten, gelte es dringend, »die Macht der Einigkeit zu festigen«. Nur so könne man den »regionalen Frieden« und eine eigene Entwicklung erreichen, zitierte Chinas Staatssender CCTV aus einem Gipfelbeitrag von Xi.
Der SOZ-Gipfel in Astana, auf dem Chinas Präsident zu Geschlossenheit mahnte, hat zwei recht bedeutende Weichenstellungen gebracht. Zum einen ist mit der Aufnahme von Belarus, die am Donnerstag endgültig vollzogen wurde, erstmals ein Staat außerhalb Asiens in die SOZ eingebunden worden. Ursprünglich lag ihr Kernschwerpunkt darauf, Terrorismus und Separatismus in Zentralasien zu bekämpfen. Damit ließen sich die SOZ-Erweiterung um Indien und Pakistan (2017) und die Aufnahme Irans (2023) noch problemlos verbinden. Der Kampf gegen dschihadistischen Terror, der zuletzt Russland und Iran heimgesucht hat, ist bis heute ein wichtiges Thema für die SOZ; Indiens Außenminister Subrahmanyam Jaishankar forderte in Astana, das müsse auch so bleiben. Die SOZ ist allerdings längst darüber hinausgewachsen und hat sich, wie Russlands Präsident Wladimir Putin in Astana festhielt, zu »einer der Hauptsäulen einer gerechten multipolaren Weltordnung« entwickelt. Dass die SOZ Belarus aufgenommen hat, markiert ihren überregionalen Anspruch.
Zum anderen hielt die SOZ in Astana zum ersten Mal ein Gipfeltreffen im neuen »SOZ plus«-Format ab. Schon zu früheren Gipfeln hatte die Organisation andere Staaten eingeladen. Neu ist nun aber, dass sie dies formalisiert und deutlich ausweitet. Zum »SOZ plus«-Treffen in Astana wurden die Staats- und Regierungschefs aller Staaten eingeladen, die bei der SOZ Beobachterstatus haben (das sind zwei Länder) oder die ihr als einer ihrer 14 Dialogpartner fest verbunden sind. Nur Afghanistan, das Beobachterstatus innehat, fehlte. Allerdings rief Pakistans Premierminister Shehbaz Sharif in Astana die Staatenwelt dazu auf, sich wieder um eine gewisse Zusammenarbeit mit dem Land zu bemühen. Unabhängig davon reicht die SOZ inzwischen über ihre Dialogpartner im Westen bis in die Türkei, im Südwesten bis Ägypten und Saudi-Arabien, im Süden bis zu den Malediven und im Südosten bis Kambodscha. In Astana befasste sie sich unter anderem mit einer Strukturreform, die ihr in Zukunft ein strafferes Handeln ermöglichen soll. Details wurden noch nicht bekannt.
Zu den langfristigen Zielen äußerte sich auf dem Gipfel neben Xi, der um Geschlossenheit warb, vor allem Putin, der seine Überzeugung erklärte, die SOZ könne neben den BRICS zu einer »treibenden Kraft« der globalen Entwicklung werden und dazu beitragen, »wirkliche Multipolarität sicherzustellen«. Eine »multipolare Welt« sei schon jetzt »eine Realität«. Nun müsse es darum gehen, »gleiche Entwicklungsbedingungen für alle zu garantieren«, und dies »unabhängig von den politischen und ökonomischen Systemen der Länder und von ihrem religiösen und kulturellen Hintergrund«. Russland mache sich dafür stark, »eine neue Architektur zu schaffen«, die auf »Kooperation, unteilbare Sicherheit und Entwicklung in Eurasien« ziele. Sie solle »überkommene eurozentrische und euroatlantische Modelle ersetzen«. Diese nützten bekanntlich nur gewissen Staaten und hätten zu zahllosen Krisen in aller Welt geführt.
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