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Aus: Ausgabe vom 11.07.2024, Seite 4 / Inland
Neonazismus und Justiz

Nur dienstliche Gründe

Nach Urteil im »Knockout«-Prozess wird weiter gegen mehrere Polizisten ermittelt. Karlsruhe strebt Revision im Hauptverfahren an
Von Kristian Stemmler
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Offenbar häufig überlastet: Polizist im Hauseingang eines durchsuchten Gebäudes in Eisenach (29.11.2023)

Einmal mehr steht der Verdacht im Raum, dass es Querverbindungen zwischen der faschistischen Szene und der Polizei gibt. So dürfte die juristische Bearbeitung der Aktivitäten der neonazistischen Kampfsportgruppe »Knockout 51« noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Dass die Generalbundesanwaltschaft das Urteil gegen vier führende Mitglieder der in Thüringen aktiven Gruppierung vom Montag vergangener Woche nachverhandeln möchte, war bereits vor einer Woche bekanntgeworden.

Eine Sprecherin der Karlsruher Behörde hatte mitgeteilt, dass gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Jena Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt wurde. Genauere Angaben zur Begründung dieses Schrittes machte sie nicht, da eine schriftliche Urteilsbegründung seitens des Oberlandesgerichts noch nicht vorliege. Wie nun bekanntwurde, ermittelt die Justiz noch immer gegen mehrere Polizisten wegen des Verdachts, Informationen an Mitglieder der Neonazigruppe weitergegeben zu haben.

Bei der Staatsanwaltschaft Gera laufen demnach Ermittlungsverfahren gegen fünf Polizeibeamte, die Dienstgeheimnisse an die Kampfsportgruppe weitergegeben haben sollen, berichtete am Mittwoch die Nachrichtenagentur dpa unter Berufung auf einen Sprecher der Behörde. Ob und inwieweit sich der Tatvorwurf bewahrheite, könne »momentan nicht beantwortet werden«, sagte der Sprecher. Das Verfahren gegen einen Polizeibeamten wegen eines gleichlautenden Tatvorwurfs sei inzwischen eingestellt worden, »da die Ermittlungen ergaben, dass dieser unschuldig ist«.

Bei dem inzwischen eingestellten Verfahren sei kein strafbares Verhalten festgestellt worden, sondern lediglich »dienstliche Nachlässigkeiten« des Betroffenen. Der Mann habe in internen Datenbanken der Polizei tatsächlich Informationen mit Bezug zu »Knockout 51« abgefragt. Im Ergebnis der Ermittlungen sei aber festgestellt worden, dass dies ausschließlich aus dienstlichen Gründen geschehen sei. Arbeitsüberlastung seit dafür verantwortlich, dass der Beamte diese dienstlichen Gründe nicht dokumentiert habe, sagte der Sprecher, der außerdem versicherte: »Eine Weitergabe von Informationen an andere unbefugte Personen erfolgte nicht.«

Die Staatsschutzkammer des Gerichts hatte »Knockout 51« bei der Urteilsverkündung am 1. Juli als »kriminelle Vereinigung« eingestuft – nicht als »terroristische Vereinigung«, wie es die Generalbundesanwaltschaft angestrebt hatte. Die vier Angeklagten wurden wegen der Mitgliedschaft in der Kampfsportgruppe sowie diverser Körperverletzungsdelikte zu Haftstrafen verurteilt. Der mutmaßliche Rädelsführer wurde zu drei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt, die drei Mitangeklagten erhielten Haft- oder Jugendhaftstrafen zwischen zwei Jahren und zwei Monaten sowie zwei Jahren und sechs Monaten. Drei wurden dabei auch wegen Waffendelikten schuldig gesprochen.

Die Anklage hatte deutlich höhere Haftstrafen beantragt: Zwischen vier Jahren und drei Monaten sowie sieben Jahren. In ihrem Plädoyer hatte sie darzulegen versucht, dass die Gruppe unter dem Deckmantel des Kampfsporttrainings junge Männer gezielt für Auseinandersetzungen mit politischen Gegnern und mit Polizisten ausgebildet habe. Zumindest ab Frühjahr 2021 soll »Knockout 51« auf die Verletzung und Tötung von Antifaschisten ausgerichtet gewesen sein. Das sah das Gericht nicht so. Die Angeklagten hätten den Einsatz tödlicher Gewalt nur für den Verteidigungsfall trainiert. Es fehle der Beweis dafür, dass sie geplant hätten, gezielt die Auseinandersetzung mit politischen Gegnern zu suchen, um unter dem Deckmantel der Selbstverteidigung tödliche Gewalt anzuwenden.

Keine Zweifel hatte das Gericht daran, dass es sich bei dem Zusammenschluss um eine auf die Begehung von Strafraten ausgerichtete »rechtsextremistische Kampfgruppe nationalsozialistischer Prägung« handelte, zu deren Zielen die Errichtung eines sogenannten Neonazikiezes in Eisenach gehörte. Die von drei der vier Angeklagten im März 2019 mitgegründete Gruppierung habe sich dort als die »bestimmende Ordnungsmacht« etablieren wollen. Im Prozess ging es auch um zehn Körperverletzungsdelikte, bei denen Linke, aber auch Polizisten die Opfer waren. Sie waren von den Neonazis zum Teil bis zur Bewusstlosigkeit geprügelt worden, mehrere Opfer erlitten Knochenbrüche. »Knockout 51« (51 steht für EA, das Eisenacher Autokennzeichen) hatte sich über die Jahre zu einem festen Bestandteil der neonazistischen Szene in Thüringen und im benachbarten Sachsen entwickelt.

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