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Aus: Ausgabe vom 12.07.2024, Seite 5 / Inland
MSC-Deal mit HHLA

Überhebliches zum Hafendeal

Hamburgische Bürgerschaft stimmt Einstieg von MSC bei Hafenlogistiker HHLA in erster Lesung zu. Zweite Lesung von CDU und Die Linke blockiert.
Von Burkhard Ilschner
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Die Hamburger Hafenarbeiter nutzten ihre Streikdemonstration am Mittwoch auch zum Protest gegen den HHLA-Verkauf

Es ist geschehen. Am späten Mittwoch nachmittag stimmte die Hamburgische Bürgerschaft dem Einstieg der Genfer Megareederei MSC beim lokalen Hafenlogistiker HHLA zu. Allerdings machte die Opposition von ihrem Geschäftsordnungsrecht Gebrauch, blockierte eine zweite Lesung und damit die endgültige Beschlussfassung. Zumindest vorübergehend bis Anfang September gibt es also vorerst keine Bewegung. Die vorangegangene Debatte hatte da bereits einige Vorgänge in dem Zusammenhang problematisiert. Ob die anhaltende Unterfinanzierung der Seehäfen durch den Bund das Zustandekommen dieses riskanten Deals begünstigt hat, interessanterweise nicht.

Der nicht unerwarteten Entscheidung vorausgegangen war eine Debatte, in der sich die Regierungskoalitionäre von SPD und Bündnis 90/Die Grünen in beeindruckender Überheblichkeit präsentierten. Sie ließen alle spüren, dass sie an der Elbe mit 86 von insgesamt 123 Bürgerschaftsmandaten regieren. Anwesend waren allerdings nur 105 Parlamentarier, von denen 71 die Vorlage des Senats unterstützten, 34 votierten dagegen. Nach NDR-Angaben waren vor allem einige Abgeordnete von SPD und Grünen, »die im Vorfeld Bedenken zu erkennen gegeben hatten«, der Sitzung ferngeblieben. Tatsächlich stemmte sich mit dem Haushaltsausschussvorsitzenden Matthias Petersen nur ein einziger Koalitionär sowohl in der Aussprache als auch in der namentlichen Abstimmung deutlich gegen den HHLA-MSC-Deal.

In Abwesenheit des Ersten Bürgermeisters Peter Tschentscher hatte eingangs der Debatte SPD-Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard den Deal ungeachtet aller Kritik als »wohlüberlegt« und die Rechte der Beschäftigten als »gesichert« gelobt. Bekanntlich sind die Vereinbarungen zwischen Hamburg und der MSC teils geheimgehalten worden, insofern prägten viele offene Fragen etwa zur Vertragslaufzeit, zu Ausstiegs- und Rückkaufrechten, zur Absicherung angeblicher Zusagen und anderes mehr die Bürgerschaftssitzung.

SPD-Mann Jan Koltze formulierte zwar den dauerhaften Erhalt gut bezahlter Jobs nur als »Ziel«, zeigte sich aber überzeugt, dass das »Gemeinwohl« vom MSC-Einstieg bei der HHLA profitiere. Finanzsenator Andreas Dressel übte sich in teilweise durchsichtigen Rechenspielchen, aber auch in Optimismus: »Wir wollen dafür sorgen, dass alles eingehalten wird.« Die Grünen-Abgeordnete Zohra Mojadeddi sang ein Loblied auf MSC, weil es in der Pandemie keine Entlassungen gegeben habe – sie vergaß allerdings zu erwähnen, dass der Genfer Familienkonzern eben diese Jahre nutzte, den langjährigen Primus der Containerschiffahrt, Dänemarks Mærsk, durch enormen Flottenausbau zu überholen.

Grünen-Fraktionschef Dominik Lorenzen, versuchte alle Kritik am Deal schließlich als »Spielchen« und »Konfetti« lächerlich zu machen, bezeichnete die Bevölkerung als durch ein von Die Linke vorgeschlagenes Referendum »überfordert«. Seinem Ja zum Deal schmückte er phrasenhaft mit »Mut zur Entscheidung« auch auf die Gefahr hin, »mal einen Fehler zu machen«, aus. Die Koalition brachte zu ihrem Vorhaben noch kurzfristig einen Änderungsantrag ein: Angesichts der heftigen Kritik am vereinbarten Fünfjahresverzicht auf »betriebsbedingte Kündigungen« bei der HHLA sieht sich nun der Senat vom Parlament aufgefordert, dafür zu sorgen, dass die Tarifbindung dauerhaft erhalten bleibt.

Norbert Hackbusch, als Hafenexperte von Die Linke einer der führenden Kritiker des Deals, erklärte dies als »schöner Wunsch«, denn erst einmal müsse MSC dem auch zustimmen. Der Antrag zeige aber, dass die Koalition selbst schon »kalte Füße« bekomme. Hackbusch ebenso wie Götz Wiese von der CDU rieben sich – eloquent, aber eben bislang vergeblich – zum wiederholten Male an den mehrfach dargestellten Gefahren und Unsicherheiten des Hafendeals. Auch die fraktionslosen ehemaligen Linke-Abgeordneten Martin Dolzer und Mehmet Yıldız reihten sich ein, nannten den Deal für Hamburg »gefährlich« und verlangten erneut umfassende Akteneinsicht.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (11. Juli 2024 um 23:53 Uhr)
    Die Hamburger Regierungskoalitionäre müssen sich beeilen, Bewegung in die Sache zu bringen. Es könnte sein, dass sie 2025 keine 83 Bürgerschaftsmandate mehr stellen …

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