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Aus: Ausgabe vom 22.07.2024, Seite 5 / Inland
Griff in die Steuertasche

Geld für Hamburgs Turmbau

Multimilliardär Kühne fabuliert im Spiegel über Einstieg der Stadt beim Pleiteprojekt »Elbtower«
Von Gudrun Giese
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Investruine »kurzer Olaf«, einst hochfliegender Plan aus der Amtszeit von Olaf Scholz in Hamburg

Der »Elbtower«, ein geplantes Prestigeobjekt der insolventen österreichischen Signa-Gruppe, soll nach Vorstellungen des lokalen Großinvestors Klaus-Michael Kühne (Kühne und Nagel, Hapag-Lloyd etc.) unter Federführung der Stadtregierung fertiggestellt werden. Gegenüber dem Spiegel vom Donnerstag präzisierte er seine Ideen. So sollte der Senat des Stadtstaates eine Initiative zum Weiterbau des Gebäudeturms in der Hafencity starten. Zusammen mit Privatinvestoren könne das Projekt »zu einem guten Ende« geführt werden.

Dieses wäre dann ein 245 Meter hohes Bauwerk mit 64 Stockwerken, in denen einmal mehr überflüssige Büros, Galerien, Cafés und ein Luxushotel untergebracht werden sollen. Solche Pläne verfolgte Signa-Gründer René Benko, der zu Zeiten eines Ersten Bürgermeisters Olaf Scholz (SPD) aushandelte, den »Elbtower« als »neues Wahrzeichen« der Hansestadt für runde 950 Millionen Euro zu bauen. Seit dem Baustopp im Herbst 2023, als der Zusammenbruch des Signa-Imperiums begann, steht in der Hafencity der bei 100 Metern gestoppte Rohbau, der im Volksmund folgerichtig »kurzer Olaf« heißt.

Kühne glaubte lange an die hochfliegenden Pläne des österreichischen Immobilienspekulanten und investierte viel Geld in Signa-Projekte. Die drohenden Verluste möchte der 87jährige nun offenkundig mit Hilfe von Steuergeld vermeiden: So soll sich nach Kühnes Wünschen der amtierende Erste Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) zur Fertigstellung des Bauwerkes bekennen. Gleichzeitig erwartet er die Verpflichtung des Stadtstaates, anschließend die Hälfte der Flächen für städtische Büros zu mieten, und zwar »zu Mietkonditionen, die die Wirtschaftlichkeit des Objektes sicherstellen«, heißt es im Spiegel. Damit würde der Hamburger Haushalt erheblich belastet, was in Zeiten von Schuldenbremsen und Sparzwängen der öffentlichen Hand schwer vermittelbar sein dürfte.

Benko hatte einst beim Kauf des Areals in der Hafencity eine Vorabvermietungsquote von dreißig Prozent der Büroflächen vorzuweisen, wie die Stadtregierung es verlangt hatte. Gelungen war das mit Hilfe der Hamburg Commercial Bank (früher: HSH Nordbank), die mit Beginn der Signa-Pleitewelle den Vertrag kündigte, so dass es auch keine gültigen Mietzusagen mehr gibt. Kühne will nun die Verwaltung der Hansestadt zum »Ankermieter« im »Elbtower« und zudem zum Projektleiter machen. Die Stadtregierung solle Verträge über den Weiterbau des Gebäudes aushandeln und auch Investoren auftreiben, die die Finanzierung des Protzbaus sicherstellen könnten. Werde auf diesem Weg nicht genügend Geld gesammelt, müsse die Stadt selbst die Finanzierungslücke »über einen eigenen Investitionsbeitrag« schließen, so Kühne.

Dieter Becken, Immobilienentwickler in der Hansestadt, hätte gerne Signal Iduna und die Commerz Real – beide schon bisher am Projekt beteiligt – sowie die Kühne-Holding an Bord. Weitere Investoren seien erwünscht, erklärte Becken gegenüber dem Spiegel. Er selbst wäre dabei, wenn die Stadtregierung ihn zu einem Einstieg beim Turmbau auffordere. Bisher arbeitet er an einem eigenen Konzept für das Hochhaus, das im September in einem verbindlichen Angebot für das Vorhaben münden soll. Auch er setzt er dabei auf Partner wie Kühne das tut.

Unterdessen nimmt das Insolvenzverfahren über die »Elbtower«-Gesellschaft seinen Gang. Insolvenzverwalter Torsten Martini wolle das unfertige Gebäude plus Idee bis zum Jahresende verkauft haben. Es gebe einige Interessenten, etwa ausländische Finanzkonsortien und zwei einheimische Bieter. Bürgermeister Tschentscher hat ein finanzielles Engagement beim »Elbtower«s inzwischen ausgeschlossen. »Herr Benko, die Signa-Gruppe und ihre Investoren haben in Österreich und Deutschland großen Schaden für das Gemeinwesen angerichtet. Daraus ergibt sich keine moralische Position, um irgend etwas von den betroffenen Städten oder unbeteiligten Dritten zu fordern«, zitierte dpa am Sonntag den Politiker.

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  • Leserbrief von Peter Groß aus Bodenseekreis (29. Juli 2024 um 11:12 Uhr)
    Schockanrufe bei Bürgermeistern gehören zu den Enkeltricks der Baumafia. Das Ziel ist jedes Mal, dass die Stadtoberen, von Stadt- oder Gemeinderäten begeistert unterstützt, ein gut gefülltes, inzwischen meist hunderte Millionen Euro schweres Steuersäckel zur Abholung vors Ratshausportal stellen. Landesfürsten sind, trotz meist juristischer Grundbildung oder wenigstens Beiordnung von Rechtsbeiständen, völlig überfordert, finanzielle Folgen auch nur im geringsten wahrzunehmen. So berichtete der Käufer einer Eigentumswohnung im Steglitzer Kreisel, dass auf seinem Apartment, »einer Eigentumswohnung mit Sonnenuntergangsbalkon«, eine exorbitant hohe Grundschuld laste. Später erwähnte er, das gesamte Immobilienunternehmen ist durch die astronomische Summe von 4,3 Milliarden Euro belastet. Kosten, die spätere Käufer übernehmen müssen. Wenn nicht Land oder Stadtlenker Millionen Euro zusammenkratzen. Das Steglitzer-Kreisel-Drama zieht sich fast sechs Jahrzehnte hin. Wobei das 120-Meter-Hochhaus, heute konzipiert für etwa 330 Luxuswohnungen, bereits Milliarden verschlungen hat und trotzdem nur ein Baugerippe ist. Es dokumentiert die Verantwortungslosigkeit des Staates gegenüber Bauspekulanten, die Ohnmacht der Bürger gegen den Staat und jene Unternehmen, die ich meine als Würgeschlangen erkennen zu können. Der ehemalige Stakeholder der CG-Gruppe, Gröner, ist nach Verkauf des Kreisels nach Karlsruhe weitergepilgert, nachdem er 2017 die CDU-Wahlwerbung förderte und 2020 für die CDU noch einmal 820.000 Euro nachlegte. Immer, auch bei SPD, Grünen, FDP oder Die Linke, sprudelte der Subventionsfluss wie gewünscht. Immerhin ist der Elbtower doppelt so hoch, nährt die Kühne-Hoffnung nach entsprechend vielfach so hohen Subventionen. Warum aber nicht mal anders denken und für die Bauruine »Parkgebühren« erheben, den Bau, wenn nicht gezahlt wird, in öffentliches Eigentum überführen und ohne Spekulanten als Genossenschaft dem Elend ein Ende bereiten. Verluste hat Kühne steuerlich geltend gemacht.
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (22. Juli 2024 um 17:56 Uhr)
    Und da sagt die vielbeschworene neoliberale Wirtschaftstheorie doch glatt, der Staat möge sich aus der Wirtschaft heraushalten, weil er davon nichts verstünde. Das gilt aber offensichtlich nur bis zu dem Tag, an dem das allwissende Kapital die Karre mal wieder endgültig in den Dreck gefahren hat. Sie dort wieder herauszuholen ist dann natürlich eine grundsoziale Angelegenheit der Allgemeinheit. Ist sie nicht toll, diese neoliberale Theorie? Jeder nimmt sich, was er nehmen kann. Der Große das gesamte Geld und der Kleine, was übrig bleibt: die Schulden. So sieht wahre soziale Gerechtigkeit aus!
  • Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (22. Juli 2024 um 11:16 Uhr)
    So geht Raub im ganz großen Stil heutzutage. Kühne zählt zu den reichsten »Pfeffersäcken« Deutschlands. Da macht es sich immer gut, wenn man die richtigen (politischen) Freunde an seiner Seite hat, besonders, wenn die sich später mal wieder an nichts werden erinnern können.

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