Wolfgang Rihm gestorben
Lebensfroh war er, voller schöpferischer Kraft und trotz seines immensen Erfolgs unprätentiös. Wolfgang Rihm, einer der wichtigsten Komponisten der Gegenwart, war ein Weltstar. Nun ist er in der Nacht zu Sonnabend im Alter von 72 Jahren in Ettlingen bei Karlsruhe gestorben.
Mit seinen mal düsteren, mal machtvoll rhythmischen, mal durchscheinend zerbrechlichen Werken erreichte er sogar Menschen, die mit Neuer Musik kaum vertraut waren. Der gebürtige Karlsruher hinterlässt ein Universum von weit mehr als 500 Werken. Ein enormes Œuvre, das Opern und große Orchesterwerke ebenso umfasst wie Kammermusik etwa für Violine und Klavier, Konzerte für Trompete, Horn, Cello sowie Musiktheater und Vokalstücke. Vom nur wenige Sekunden langen Klavierwalzer bis hin zum fast zweistündigen Monsterballett für großes Orchester »Tutuguri« war alles dabei. Zu seinen wichtigsten Arbeiten zählen die Opern »Die Eroberung von Mexico«, »Die Hamletmaschine« und »Dionysos«. Rihm belieferte die internationalen Opernhäuser, untrennbar verbunden war sein Name mehr als 40 Jahre lang mit den Salzburger Festspielen.
Schon mit elf Jahren machte Rihm die ersten Gehversuche als Komponist. Später studierte er, selber noch Schüler, Komposition an der Hochschule für Musik (HfM) in Karlsruhe bei Eugen Werner Velte und ging dann nach Köln, um bei Karlheinz Stockhausen zu lernen. Auch Wolfgang Fortner prägte sein Schaffen, ebenso wie Luigi Nono. 1985 wurde Rihm Nachfolger seines einstigen Lehrers Velte als Professor für Komposition an der Karlsruher HfM. Ab 2016 war er künstlerischer Leiter der Lucerne Festival Academy, die sich um Nachwuchstalente kümmerte.
Rihms Werke reißen den Hörer mit und sind – selten für einen zeitgenössischen Komponisten – ins übliche Orchester- und Kammermusikrepertoire eingegangen. »Rihm ist ein Musiker, der über eine äußerst beneidenswerte erfinderische Leichtigkeit verfügt«, sagte sein 2016 gestorbener Komponistenfreund Pierre Boulez über ihn.
Auch durch eine schwere Krebserkrankung ließ er sich nicht bremsen, wie Rihm in der SWR-Doku »Das Vermächtnis« deutlich machte: »Ja, soll ich mich jetzt zum Sterben zurücklehnen? Ich fühle mich nicht so … Es geht mir gut«, sagte er. Musik war seine Kraft, »meine Atmosphäre, die mich mit geistigem Sauerstoff versorgt«, betonte er kurz vor seinem 70. Geburtstag. Der Tod machte ihm nach eigenen Worten keine Angst. »Musik ist Leben«, sagte er. (dpa/jW)
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