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Aus: Ausgabe vom 06.08.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Massenproteste in Nigeria

Nigerias Jugend auf der Straße

Massenproteste richten sich landesweit gegen neoliberale Reformen von Präsident Tinubu. Doch dahinter stehen Kreditzwänge von IWF und Weltbank
Von Georges Hallermayer
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Am Montag wurde in der Metropole Lagos erneut gegen die Regierung protestiert

Nigeria ist in Aufruhr. Denn anhaltende Not im Land treibt vor allem junge Menschen zu Protesten auf die Straße. Sie ignorieren halbherzige Drohungen der Regierung und Appelle muslimischer Führer. Die tödliche Gewalt der Sicherheitskräfte, der bislang dreizehn Menschen zum Opfer fielen, schreckte die Bewegung nicht. Sie fordert, die auffallend brutale »Special Anti-Robbery Squad« abzuziehen.

Die Bevölkerung dränge »mit einer enormen Entschlossenheit«, in die Proteste, erklärte Sa’eed Husaini vom »Zentrum für Demokratie und Entwicklung« laut der französischen Tageszeitung Libération am Sonntag. Wenn die großen Oppositionsparteien wie die People’s Democratic Party (PDP) und die Arbeiterpartei (Labour Party) »nur beobachten, während sie auf eine Reaktion der Regierung warten«, forderten bislang nur kleine Parteien wie der linke »African Action Congress« den Rücktritt von Präsident Bola Tinubu.

Die Proteste richten sich insbesondere gegen rapide Preisanhebungen. Die Lebensmittelpreise waren zuletzt um mehr als 40 Prozent gestiegen. Seit die Regierung Subventionen kürzte, hat sich der Preis für Treibstoff und Strom verdreifacht. In den Städten fordern die Protestierenden daher ein Ende der neoliberalen Wirtschaftspolitik und der korrupten Selbstbedienungsmentalität der herrschenden Eliten. Mitte Juli hatte die Statistikbehörde mit Verweis auf einen Bericht der UN-Stelle für Drogen- und Kriminalitätsbekämpfung bekanntgegeben, dass nigerianische Beamte sich ihren Dienst am Bürger im Jahr 2023 mit 721 Milliarden Naira (etwa 1,3 Milliarden US-Dollar) extra honorieren ließen.

Ein Schock der vom IWF verschriebenen Reformen von Präsident Tinubu war abzusehen. In den vergangenen Monaten hatten zwei Generalstreiks das Land zwischenzeitlich lahmgelegt. Die Anhebung des Mindestlohns auf umgerechnet etwa 40 US-Dollar pro Monat, Ende 2023, brachte wenig Entlastung: Das Mindesteinkommen liegt derzeit unter einem Fünftel des Mindestlohns von Gabun. Selbst die deutsche Außenwirtschaftsagentur Germany Trade and Invest sah da soziale Proteste anrollen.

Der neugeschaffene Rat zur wirtschaftlichen Koordination war dennoch optimistisch. Der Milliardär Aliko Dangote etwa erklärte, die Wirtschaft werde »innerhalb weniger Monate wieder in Schwung gebracht«. Doch die Vereinigung der Schriftsteller für Menschenrechte in Nigeria kritisierte, die Regierung gebe die Kontrolle über das Finanzsystem des Landes an externe Kräfte. Das gefährde nicht nur die wirtschaftliche Autonomie, sondern liefere Nigeria auch dem internationalen Druck aus.

Die Finanzmarktfreigabe des Naira hatte dann eine drastische Abwertung inklusive Inflationsspirale zur Folge. Während Lebensmittelpreise gnadenlos angehoben wurden, rieben sich Importeure die Hände: Die Streichung der Einfuhrsteuer hatte dabei einen denkbar geringen Effekt auf die Massen. Doch konnten multinationale Konzerne ihre Investitionen in Erdöl und Bergbau bedeutend billiger tätigen: Dort sind die USA der größte ausländische Investor im Land. Für das erdölexportierende Nigeria ist das bei stetig steigenden Kraftstoffpreisen aufschlussreich: Benzin musste bislang gegen rare Devisen importiert werden. Der Versuch, sich IWF und Weltbank auf Kosten der Bevölkerung anzudienen, gehe nicht auf, kommentierte der nigerianische Vanguard am Freitag.

Insbesondere seit Milliardär Aliko Dangote die größte Ölraffinerie des Landes im Januar in Betrieb nahm, herrscht offener Krieg mit den multinationalen Ölkonzernen: Die nur zur Hälfte ausgelastete Raffinerie werde von den Multis sabotiert, hatte die Betreibergesellschaft Dangote Industries behauptet. Denn die Dangote-Raffinerie war gezwungen, sich an Lieferanten im Senegal und der Elfenbeinküste zu wenden. Lokale Ölmultis belieferten sie ebenso wenig wie die staatliche Ölgesellschaft NNPC, die erst unter dem Eindruck der Protestbewegung damit begann. Nigeria spart dadurch monatlich 50 Millionen US-Dollar Devisen.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Gabriel T. aus Berlin (6. August 2024 um 08:43 Uhr)
    Der letzte Absatz bleibt trotz mehrmaligem Lesens unklar. Schön wäre etwas detailliertere Information.

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