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Aus: Ausgabe vom 15.08.2024, Seite 8 / Ansichten

Direkt in die Mieterhöhung

Kabinettsbeschluss zum Wohngeld
Von Gudrun Giese
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Demonstration gegen Mietenwahnsinn, Verdrängung und Wohnungsnot in Berlin (1.6.2024)

Am Ende werden Hausbesitzer und Vermietungskonzerne profitieren: Ab dem kommenden Jahr gibt es mehr Geld. Zwar nehmen die 30 Euro zusätzliches Wohngeld zunächst den kleinen Umweg über die Konten der empfangsberechtigten Mieter. Doch am Ende landet auch diese Zuwendung dort, wo viele Steuereuros ankommen: bei den Reichen und Superreichen.

30 Euro mehr soll es im Durchschnitt ab 1. Januar 2025 für Wohngeldempfänger geben, hat das Bundeskabinett diese Woche beschlossen, wobei der genaue Betrag von der Zahl der Haushaltsmitglieder, dem Einkommen und der Miete abhängt. Laut Gesetz muss die Höhe des Zuschusses alle zwei Jahre an die Preis- und Mietenentwicklung angepasst werden. So war auch im vergangenen Jahr der Zuschuss erhöht und der Kreis der Berechtigten ausgeweitet worden. Bundesweit könnten damit im nächsten Jahr rund 1,9 Millionen Mieter ein Anrecht auf Wohngeld haben. Mit dem Zuschuss zu den Wohnkosten sollen Menschen mit geringen Einkommen entlastet werden, damit sie nicht wegen einer hohen Miete Bürgergeld oder Grundsicherung beantragen müssen. Das gibt zumindest Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) als Ziel an, die bei der Gelegenheit feststellte, dass die Menschen immer mehr Geld für Miete, Energiekosten und Waren des täglichen Bedarfs ausgeben müssten.

Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass dieser Trend in absehbarer Zeit gestoppt wird. Im Gegenteil: Gerade in diesem Jahr haben große Vermietungskonzerne wie die Vonovia die Mieten kräftig erhöht und dabei die Spielräume in den Mietspiegeln komplett ausgenutzt, die der Gesetzgeber ihnen dafür einräumt. Damit ist klar, dass sie bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit auf ein Neues kräftig zulangen werden. 30 Euro mehr nehmen sie gerne mit. Und genau wegen dieser »Mitnahmeeffekte« müsste die Bundesregierung in der Wohnungspolitik endlich dort ansetzen, wo die dauerhaft viel zu hohen Mieten produziert werden: Bei den Immobilienkonzernen, Vermietungsgesellschaften, die zumeist als Aktiengesellschaften firmieren und allein fette Renditen für die Vorstände und Dividenden für die Anteilseigner im Blick haben, aber nicht die Menschen, die ihnen mit der Miete all das finanzieren. Dass allerdings der für den Sektor Mietenpolitik zuständige Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) auch nur eine Sekunde über gesetzliche Mietenbegrenzungen oder gar die Enteignung großer Wohnungskonzerne – wie in Berlin in einem Volksentscheid mehrheitlich beschlossen – nachdenkt, kann wohl ausgeschlossen werden.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (15. August 2024 um 14:27 Uhr)
    Ich kann mich an ein Land erinnern, in dem die Miete für alle bezahlbar, wohnen ein subventioniertes Grundbedürfnis und Wohnungen keine Spekulationsobjekte waren. Aber das war ja marode, obwohl es im Jahr Hunderttausende Wohnungen baute, heruntergekommen, obwohl es zu den führenden Industrieländern der Erde zählte und undemokratisch, weil es die Diktatur des großen Geldes unterbunden hatte. Ist es nicht eigentlich komisch, dass dieses armselige Gebilde das schaffen konnte und die »Große Demokratie« mit Spekulation, Wohnungslosigkeit und Armut seit Jahr und Tag nicht fertig werden kann?
  • Leserbrief von Peter Kraus aus Freiburg (15. August 2024 um 12:21 Uhr)
    Die Subjektförderung des bedürftigen Mieters ist stets eine Förderung der Vermieter. Auch wenn es dem einzelnen Mieter dient, für das insgesamt natürlich zu einer Erhöhung des Mietniveaus. Deshalb ist die Objektförderung der Subjektförderung vorzuziehen. Objektförderung bedeutet, dass der Staat oder Genossenschaften dauerhaft im Mietpreis gesenkte Wohnungen bauen und besitzen. Das, was heute unter sozialen Wohnungsbau firmiert, ist in Wirklichkeit die Zahlung eine Subvention an einen privaten Hausbesitzer, der dafür eine begrenzte Zeit lang den Gegenwert der Subvention in eine Mietermäßigung umwandelt. Da der soziale Wohnungsbau stark zurückgegangen ist und viele Wohnungen aus der Förderung auslaufen, geht trotz spärlichen Neubau von Sozialwohnungen die Zahl der Sozialwohnungen Jahr für Jahr drastisch zurück. Das ist spätestens seit den 80er Jahren in Westdeutschland und 1990 im anderen Teil mit voller Absicht genau so betrieben worden. In meiner Heimat in Freiburg im Breisgau kostet selbst eine 3-Zimmer-Wohnung im Besitz der Genossenschaft schon zwischen 1000 und 1500 Euro pro Monat warm. Das entspricht etwa dem netto Mindestlohn pro Monat einer Person.

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                                        Heute 8 Seiten extra – Beilage zum Thema: Kampf ums Klima