Indien will mehr »nachhaltige« Investitionen
Von Thomas BergerDer indische Premierminister Narendra Modi steht für eine Verbindung hindu-nationalistischer und neoliberaler Politik. Derzeit setzt sein Regierungskurs auf eine Modernisierung des nunmehr bevölkerungsreichsten Landes, das viele noch immer als behäbigen Koloss wahrnehmen.
Doch längst findet in Indien ein Umbau von Wirtschaftsprozessen und Infrastruktur statt, bis 2070 will es »klimaneutral« werden. Doch diese Zielmarke erfordert Investitionen. Eine geplante Erweiterung der Rahmenvorschriften für sogenannte Nachhaltigkeitsanleihen (Enviromental, Social and Governance, ESG) soll dies erleichtern. Die staatliche Börsenaufsicht soll Kapitalflüsse in zukunftsweisende Projekte nun besser ermöglichen.
Wie das Wirtschaftsblatt Mint bereits im Juli zur Vorlage des neuen Haushalts durch Finanzministerin Nirmala Sitharaman erinnerte, hat die noch viert- und bald drittgrößte Volkswirtschaft bisher schon Sovereign Green Bonds (SGB) aufgelegt, um mit solchen Anleihen vor allem die Umstellung der Stromerzeugung auf klimafreundliche Weise zu befördern. Indien hat dabei großen Aufholbedarf. Aktuell haben indische Nachhaltigkeitsanleihen laut von der Agentur Bloomberg zusammengeführten Daten bereits einen Umfang von 15,6 Milliarden US-Dollar – mehr als beim bisherigen Spitzenwert von 2021.
Im Vergleich zu anderen asiatischen Finanzmärkten wie etwa China und Japan hinken Indiens ESG-Bonds in der Bandbreite aber hinterher. Die Economic Times zitierte Vikas Goel, Direktor einer Investmenttochter der Punjab National Bank (PNB), mit dem Hinweis, Indien fehle es im Vergleich zu anderen Ländern noch an ausreichend Investoren für die speziellen Kreditformen.
Das mit einem 53 Länder umspannenden Netzwerk zu Klimaschutz, Ökologie und Müllvermeidung verbundene Portal Earth5R.org, listet Beispiele großer Firmen für nachhaltige Investments auf. Darunter ist etwa IT-Gigant Infosys, der eigenen Angaben zufolge schon 2020 als Pionier Klimaneutralität erreichte und selbst in erneuerbare Energieträger investiert. Auch Tata Steel, Tochtergesellschaft des Mischkonzerns Tata Group und einer der Branchenführer, habe durch den Einsatz von Plastikmüll in seinen Kreisläufen geschafft, den CO2-Ausstoß bei der energieintensiven Stahlproduktion von 2016 bis 2020 um 13 Prozent zu senken. Baukonzern Larsen & Toubro habe seine Treibhausgasemissionen im selben Zeitraum um 22 Prozent, den Frischwasserverbrauch um 36 Prozent reduziert.
Bisher sieht der Rahmen die ESG-Kriterien für Finanzprodukte vor, die Erlöse »nur zum Zweck ökologischer Nachhaltigkeit erzielen«, wie Hindustan Times am Montag bemerkte. Das umfasse etwa die Entwicklung erneuerbarer Energien oder das Wassermanagement. Mit den von der Börsenaufsicht angestrebten Änderungen könnten demnach »nachhaltige« Kapitalanlagen für ein deutlich breiteres Spektrum gelten. Eine Entscheidung zu den Plänen der Behörde solle bis zum 6. September erfolgen.
Bislang fehlen den indischen Behörden Regelungen zur Kontrolle, einen Betrug mir erweiterten ESG-Anleihen zu verhindern. Selbst Dimple Bhandia, Generalmanagerin Reserve Bank of India, hatte zum Monatsbeginn auf deutliche Gesetzeslücken verwiesen. Das macht es den Verkäufern leicht, ihre Finanzprodukte betrügerisch als »nachhaltig« zu labeln. Der Indira-Gandhi-Flughafen in der indischen Hauptstadt Neu-Delhi hatte sich am 16. August als erster Airport des Landes für klimaneutral erklärt. Laut dem Portal esgtimes.in hatte ihn das Airport Council International als global agierendes Gremium geprüft und die Zertifizierung erteilt.
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