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Aus: Ausgabe vom 13.09.2024, Seite 11 / Feuilleton
Kino

Königsdisziplin Komödie: Fabian Stumms »Sad Jokes«

Von Holger Römers
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Wenn’s denn lustig und traurig sein soll, dann holen ganz viele Leute das Verbandszeug raus

Wie schon bei »Knochen und Namen« zeichnet Fabian Stumm auch bei »Sad Jokes« nicht nur für Regie und Drehbuch (sowie zusammen mit Nicola Heim für die Produktion) verantwortlich, sondern tritt zugleich auch in der Hauptrolle auf. Während er in seinem Debütspielfilm einen Schauspieler verkörperte, der mit den Proben zu einem neuen Film anfing, spielt er nun einen Regisseur und Drehbuchautor, der seinen nächsten Stoff entwickelt. Dabei ist es wohl autobiographisch aufzufassen, dass Stumm eine weitere Facette des eigenen Metiers reflektiert, zumal er als Filmemacher offenbar ein ähnlich zügiges Arbeitstempo und einen ähnlich ungezwungenen Arbeitsrhythmus erreicht wie der hier im Zentrum stehende Joseph. Der beginnt damit, das nächste Drehbuch zu schreiben, noch bevor sein jüngstes Werk Premiere hat, während sein Erfinder kaum ein Jahr hat verstreichen lassen, bevor er den vorliegenden Film auf den vorherigen folgen lässt.

Zudem suggeriert bereits der Titel »Sad Jokes« ähnliche Absichten wie die des Protagonisten bei dessen neuem Projekt. Gegenüber dem Produzenten Gero (Godehard Giese) bezeichnet Joseph den geplanten Film als eine Komödie, wobei ihm hinsichtlich des Tons jedoch eine eigenwillige Mischung vorschwebt, die er kaum in Worte fassen kann. So mag es scheinen, als würde Stumm selbstironisch an seinen eigenen Film die Messlatte anlegen, wenn er Gero später verkünden lässt: »Eine richtig gute Komödie – das ist die Königsdisziplin. Und wenn’s dann auch noch lustig und traurig sein soll, dann beißen sich ganz, ganz viele Leute die Zähne aus!«

Allerdings führt die Parallele in die Irre – und zwar nicht nur, weil die Ansicht des jovialen Produzenten, dass Josephs Drehbuch »überhaupt nicht lustig« sei, mitnichten auf »Sad Jokes« zu münzen ist. Der entscheidende Unterschied besteht vielmehr darin, dass Stumm die Genres und Tonlagen nie mischt, sondern das Komische und das Ernste in mehr oder minder deutlichem Kontrast nebeneinanderstellt.

Das ist möglich, weil hier noch mehr als in »Knochen und Namen« die Handlung auf ein Minimum reduziert wird. So schlägt sich Josephs Arbeit vor allem in der neuen Bekanntschaft mit der Zeichenlehrerin Elin (Ulrica Flach) nieder, die ihm als Requisite für den geplanten Film eine große Gipsskulptur anfertigen soll. Im Privatleben des schwulen ­Singles ergibt sich derweil endlich wieder eine Verabredung mit einem Mann (Knut Berger). Und seine beste Freundin Sonya (Haley Louise Jones), die zugleich die Mutter seines kleinen Sohnes Pino (Justus Meyer) ist, durchlebt gerade eine manisch-depressive Phase.

Von dieser Krankheit geben freilich nur kurze Unterbrechungen eines Klinikaufenthaltes eine Ahnung – was für den episodischen Charakter der Narration bezeichnend ist. Diese Erzählweise ermöglicht es zugleich, einen Subplot um einen Fingerbruch in zwei separate Sketche auszulagern. Und sie erlaubt schließlich sogar die Tollkühnheit, einen umwerfend tragischen Höhepunkt buchstäblich herbeizuzitieren: Wenn nämlich Elin sich von Joseph bei privatem Geplauder dazu hinreißen lässt, in ihrer schwedischen Muttersprache das Schlussplädoyer der Johanna von Orleans vorzutragen, das sie einst als Kind mit Schauspielambitionen auswendiggelernt hat.

Wie subtil Stumm Tragik auch aus Banalität herausarbeiten kann, beweist er indes in der allerersten Szene, in der Sonya mit Pino nach Hause kommt und zur Zubereitung des Abendessens schreitet. Dabei verkneift der 1981 geborene Berliner es sich, nüchternen Naturalismus durch die naheliegende komische Akzentuierung des Umstandes, dass diese manische Frau mit einem Küchenmesser herumfuchtelt, ins Absurde kippen zu lassen. Die statische Strenge dieser langen Einstellung lockert er bei anderer Gelegenheit indes unbekümmert in die Konventionen von Schuss und Gegenschuss auf – und erlaubt sich einmal sogar die Spielerei, zwei Szenen scheinbar durch eine Kopfdrehung zu verknüpfen. Unterm Strich wirkt in jedem Fall alles so unangestrengt und leichthändig, dass es im deutschen Kino einem Wunder gleichkommt.

»Sad Jokes«, Regie: Fabian Stumm, BRD 2024, 96 Min., bereits angelaufen

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