Verhärtete Fronten in Pakistan
Von Thomas BergerSeit etwas mehr als einem Jahr sitzt Pakistans führender Oppositionspolitiker, Expremier Imran Khan, im Gefängnis – obwohl es keine rechtskräftige Verurteilung gegen ihn gibt. Mehrere Urteile gegen den noch immer populärsten Politiker des Landes wegen Geheimnisverrats, Korruption und Verletzung von Scheidungsrechten sind von höherer Instanz entweder ganz aufgehoben oder zumindest bis zur Neuverhandlung suspendiert worden. Dennoch wird Khan unter fadenscheinigen juristischen Begründungen wegen anderer Fälle in seiner Einzelzelle weiter in fortgesetzter »Untersuchungshaft« festgehalten. Ebenso ergeht es seiner Ehefrau Bushra Bibi. Gegen sie sind nach jüngsten Medienberichten inzwischen zwölf weitere Strafverfahren anhängig, die in nächster Zeit zur Verhandlung kommen dürften.
Die fortgesetzten Repressionen gegen Khan und seine Partei Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI), die bei den Parlamentswahlen im Februar trotz Behinderungen mit Abstand die meisten Stimmen erhalten hatte, lassen die PTI-Mitglieder erneut zum Mittel der Straßenproteste greifen. Zu einem regelrechten »Schlachtfeld«, so Pakistan Today, entwickelte sich am Sonnabend das Zentrum der Garnisonsstadt Rawalpindi. Die Stadt liegt in direkter Nachbarschaft zur Hauptstadt Islamabad. PTI-Anhänger und Einsatzkräfte gerieten bei einer Protestaktion aneinander. Die Polizei hatte in Straßen rund um den Versammlungsort Barrikaden errichtet, ging mit Tränengas und Schlagstöcken vor. Von außerhalb kommende PTI-Gruppen, darunter aus der regionalen Hochburg Khyber-Pakhtunkhwa mit dem Ministerpräsidenten der Region, Ali Amin Gandapur, an der Spitze, wurden am Erreichen der Innenstadt gehindert. Die Parteiführung ließ sich davon aber nicht einschüchtern. Sie hat laut Dawn für Mittwoch zu weiteren Protesten, dann in den Städten Multan, Mianwali und Faisalabad aufgerufen. Auch lobte sie öffentlich den Mut all jener, die sich den über 4.000 Polizeikräften und zur Unterstützung aktivierten paramilitärischen Einheiten entgegenstellten.
In den zurückliegenden Wochen waren Hoffnungen aufgekeimt, es könnte doch zu einer gewissen Entspannung zwischen der Regierung unter Premier Shehbaz Sharif (und seinem älteren Bruder Nawaz als eigentlichem Strippenzieher) und der PTI-Spitze kommen. Denn Khan hatte aus der Haft heraus Dialogbereitschaft signalisiert. Doch nach den jüngsten Entwicklungen zog er seine Offerte wieder zurück. Auch eine angebliche Verhandlungsbereitschaft der Sharif-Brüder, die medial kurzzeitig die Runde gemacht hatte, wurde von der die Regierungskoalition anführenden Pakistanischen Muslimliga-Nawaz (PML-N) umgehend dementiert. Die Fronten scheinen wieder völlig verhärtet. In der Folge der mehr als 100 Festnahmen könnten sich neue Anklagen gegen PTI-Mitglieder wegen Aufwiegelung ergeben. Zudem beginnt am Mittwoch der Prozess gegen Khan und seine Ehefrau in einem weiteren Fall angeblicher Korruption. Dieses Mal wegen des Umgangs mit Geschenken ausländischer Staatsgäste.
Im Juli hatte der Oberste Gerichtshof in einem bahnbrechenden Urteil verkündet, dass die PTI doch Anspruch auf die ihrem Stimmanteil entsprechenden Sitze für Frauen und Minderheiten hat. Das hatten die Wahlkommission und Vorinstanzen verweigert. Nun sieht sich die Kommission in einem rechtlichen Dilemma: Einerseits gibt es das Gerichtsurteil vom Juli, andererseits eine etwas später auf Betreiben der PML-N beschlossene Gesetzesänderung, laut der die PTI ohne formellen Fraktionsstatus keinen Anspruch mehr auf diese Zusatzsitze hat. Hinzu kommt, dass nicht nur Khan, sondern sogar Dissidenten der PML-N und angesehene Juristen eine Verfassungskrise befürchten, sollte der umstrittene Chefrichter Qazi Faez Isa, der eigentlich am 25. Oktober in Ruhestand gehen müsste, länger im Amt bleiben, wie Gerüchte es besagen.
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