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Aus: Ausgabe vom 04.10.2024, Seite 15 / Feminismus
Reproduktionsrecht

Halbe Rolle rückwärts

Südaustralien: Vorstoß für Einschränkung von progressivem Recht auf Schwangerschaftsabbruch. Zwang zur Lebendgeburt
Von Thomas Berger, Adelaide
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»Der Platz der Frauen ist in der Revolution«: Protest gegen sogenannten Lebensschützer in Melbourne (2.7.2022)

Es war ein Datum, das in die Geschichtsbücher einging: Am 19. Februar 2021 hatte das südaustralische Parlament mit klarer Mehrheit von 29 zu 15 Stimmen für ein modernes Abtreibungsrecht gestimmt. Damit wurde das von 1935 stammende Gesetz, das Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe stellte, reformiert und den Frauen bis zum Ende der 23. Woche die freie Entscheidung eingeräumt. Daran anschließend sind Spätabbrüche möglich, die medizinisch indiziert und von zwei Ärzten als solche bestätigt werden müssen, bevor sie genehmigt werden können.

Genau diesen Fall hat sich jetzt ein konservativer Abgeordneter herausgepickt, um das Thema Schwangerschaftsabbruch in den Mittelpunkt der Debatte zurückzuholen: Der zur oppositionellen Liberal Party gehörende Ben Hood hat eine private Gesetzesinitiative eingebracht, die statt des bislang möglichen Spätabbruchs eine vorzeitig eingeleitete Lebendgeburt vorsieht. Das Kind könne dann, wenn die Mutter es nicht haben will, zur Adoption freigegeben werden, so der Politiker, der bereits mit Verweis auf den US-Hardliner den Spitznamen »australischer Ron deSantis« trägt. Hood sieht mit seinem Gesetzentwurf nicht einmal eine Abkehr von der freien Entscheidung der Frau. Denn diese dürfte ja weiterhin ihre Schwangerschaft »beenden«, nur eben mit der Lebendgeburt des Kindes. Dass daran nicht nur gravierende gesundheitliche Risiken für beide geknüpft sind, lässt der erzkonservative Politiker bewusst außen vor, wie nur eines der Argumente seiner vielen Kritiker lautet.

Rund 1.000 »Lebensschützer« demonstrierten vergangene Woche vor dem Regionalparlament in Adelaide zur Unterstützung für den umstrittenen Vorstoß, während progressive zivilgesellschaftliche Gruppen die Initiative scharf kritisieren. Sogar etliche Parteifreunde Hoods fragen sich öffentlich oder hinter vorgehaltener Hand, was ihn bei seinem Antrag geritten haben mag. Hood hat aber auch eine prominente Unterstützerin: Joanna Howe, Juraprofessorin an der University of Adelaide und schon länger eine Frontfrau der »Lebensschutz«-Bewegung, hat sich prompt hinter den Vorstoß gestellt. »Es handelt sich keineswegs um ein frauenfeindliches Stück der Gesetzgebung«, das da vorgelegt wurde, sagte sie gegenüber der öffentlich-rechtlichen ABC. Howe war denn auch persönlich unter den Demonstrierenden vor dem Staatenparlament, die nachdrücklich »eine Änderung« der aktuellen Gesetzeslage forderten.

Völlig verkannt wird von den Unterstützergruppen Hoods, dass Spätabbrüche einen absoluten Ausnahmetatbestand erfüllen. Ab 22 Wochen und sechs Tagen, in denen Abbrüche generell möglich sind, müssen zwei medizinische Fachkräfte unabhängig voneinander die Notwendigkeit des Eingriffs attestieren. Das kann etwa gegeben sein, wenn die Fortsetzung der Schwangerschaft für die werdende Mutter lebensgefährlich werden könnte oder beim Fötus schwere Anomalien drohen. Auch deutliche Risiken für die körperliche und mentale Gesundheit der Frau, sollte sie zum Austragen des Kindes gezwungen werden, gelten bislang als stichhaltiger Grund, noch nach der 23. Schwangerschaftswoche mit der doppelten Ärztezustimmung einen Abbruch einzuleiten. Die Zusatzregel greift unter anderem auch bei Frauen, die in sehr abgelegenen Gegenden wohnen und deshalb nicht rechtzeitig Zugang zu einem Spezialisten hatten, oder die durch »kulturelle und sprachliche Hürden« als benachteiligt gelten. Für Hood hätten Mütter, die nach seinen Angaben in 45 Fällen seit 2021 einen Spätabbruch durchgeführt haben, »ein gesundes Baby« abgetrieben.

»Er negiert das Recht zu entscheiden, was mit unserem Körper passiert«, kritisierte die SA Abortion Coalition. Scharf wandten sich auch die Grünen-Senatorin Barbara Pocock und ihre Parteifreundin im Unterhaus, Tammy Franks, gegen den Vorstoß. Schwangerschaftsabbrüche seien ein »essentieller medizinischer Service«, hieß es vom Royal Australian and New Zealand College of Obstetricians and Gynaecologists. Zumindest eine parlamentarische Mehrheit für Hoods ist nicht erkennbar, bei Wegfall des Fraktionszwangs dürften neben Sozialdemokraten und Grünen auch seiner Parteifreunde gegen ihn stimmen.

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