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Aus: Ausgabe vom 08.10.2024, Seite 16 / Sport
Radsport

Feindliche Übernahme, begossene Pudel

Zwei Herbstklassiker und die Gravel-WM. Das Wochenende im Profiradsport
Von Holger Römers
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Mathieu van der Poel (vorn) bei der Gravel-WM in Leuven, Belgien

Im Straßenradsport zählte Paris–Tours, dessen 118. Austragung am Sonntag stattfand, lange zu den bedeutendsten Eintagesklassikern. Dass das Rennen diesen Status eingebüßt hat, verdankt es ironischerweise der sonstigen Unangreifbarkeit seines Veranstalters: Die Amaury Sport Organisation (A. S. O.) sitzt als Ausrichterin der Tour de France, die der einzige nennenswerte Profitgarant in dieser Sportart ist, bei allen Interessenkonflikten am längeren Hebel. So war das auch vor anderthalb Jahrzehnten, als der Weltverband UCI den Rennveranstaltern neue Regularien auferlegen wollte. Die A. S. O. drohte, jene Vorgaben bei den vielen eigenen Veranstaltungen zu ignorieren, weshalb die UCI schließlich klein beigab. Als Revanche fiel ihr nur die Herabstufung dieses Herbstklassikers in die zweithöchste Rennkategorie ein, der er seitdem angehört.

Seit 2018 versucht die A. S. O., dem einstigen Sprinterrennen neue Attraktivität zu verleihen, indem sie zwischen den Weinbergen des Loire-Tals gelegene Schotterpassagen in die Strecke einbaut. Um so bitterer mochte es deshalb wirken, dass in diesem Jahr just am selben Tag die Gravel-WM der Männer stattfand. In dieser jungen Disziplin, die den Schotter schon im englischen Namen trägt, richtete die UCI erst zum dritten Mal internationale Titelkämpfe aus, die von manchen Spezialisten, die ihren Rennbetrieb schon länger in den USA konzentrieren, als feindliche Übernahme gedeutet werden. Von den Gravel-Profis reisten denn auch viele nicht zu den Weltmeisterschaften im belgischen Leuven an, deren Parcours dafür aber prominente Straßenprofis ansprach – zumal wenn sie Erfahrungen aus den etablierten Disziplinen Cyclocross oder Mountainbike mitbrachten.

Folgerichtig galt Mathieu van der Poel, der im Querfeldein Weltmeister ist und auf der Straße bis vor einer Woche ebenfalls das Regenbogentrikot trug, als Topfavorit. Nachdem er kurzfristig seine Teilnahme zugesagt hatte, wurde der 29jährige Niederländer den Erwartungen prompt gerecht. Nach 173 Kilometern, die zur Hälfte auf Straßen absolviert wurden, fuhr er als Solosieger ins Ziel, gefolgt vom 13 Kilometer vorher abgeschüttelten Belgier Florian Vermeesch, der 27 Kilometer lang mit van der Poel ein Ausreißerduo gebildet hatte. Im Sprint um Platz drei, dem auf der Zielgeraden Quasistehversuche vorangegangen waren, setzte sich indes Quinten Hermans durch und untermauerte damit die belgische Dominanz.

Während in Leuven schönster Sonnenschein die Trikots weitgehend sauber bleiben ließ, machte schlimmer Regen Paris–Tours zur Schlammschlacht. Dabei stand den Fahrern der schmutzigste Teil von insgesamt 214 Kilometern noch in Gestalt von zehn Schotterabschnitten bevor, als Mads Pedersen (Lidl – Trek) das Rennen nach zwei Dritteln der Länge sprengte. Der Däne löste sich aus dem Peloton und fuhr zu einer dreiköpfigen Ausreißergruppe auf, aus der ihm nur der Italiener Edoardo Affini (Team Visma – Lease a Bike) folgen konnte. Dessen Kapitän Christophe Laporte machte sich gut 37 Kilometer später an die Verfolgung, wobei wiederum nur Pedersens Kollege Mathias Vacek mitgehen konnte. Aus dem vorübergehend gebildeten Quartett blieben bald nur der Franzose und der Tscheche übrig. Letzterer gab sich erst im Zweiersprint geschlagen, wobei die beiden Kontrahenten unter dem Dreck in ihren Gesichtern ebenso schwer zu erkennen waren wie der Belgier Jasper Philipsen (Alpecin – Deceuninck), der sich im Sprint der Verfolger um Platz drei durchsetzte. Dass Laporte beim eigenen Abschluss der Saison deren ersten Erfolg bejubeln könnte, dürfte der 31jährige indes trotz dicker Schlammkruste als versöhnlichen Ausklang eines verfluchten Rennjahres empfunden haben.

Ein anderer Topfahrer hat dagegen noch eine Rennwoche vor sich, die im vierten Sieg bei der Lombardeirundfahrt gipfeln soll. Dass Tadej Pogačar (UAE Team Emirates) auch beim letzten sogenannten Monument des Jahres als Favorit gelten muss, untermauerte der 26jährige Slowene am Sonnabend, als er im neuen Weltmeistertrikot den 215 Kilometer langen Giro dell’Emilia gewann. Bei der 107. Austragung dieses Klassikers setzte er sich aus dem Fahrerfeld ab, als erstmals der insgesamt fünfmal zu bewältigende Anstieg zur nahe Bologna gelegenen Wallfahrtskirche San Luca anstand, und fuhr dann 38 Kilometer solo. In Kombination mit heftigem Regen ließ diese Machtdemonstration den knapp zwei Minuten später folgenden Briten Thomas Pidcock (INEOS Grenadiers) sowie Davide Piganzoli (Team Polti Kometa) wie begossene Pudel wirken – auch wenn der junge Italiener als Dritter eine Karrierebestleistung erzielte.

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