Neukaledonien nach den Unruhen
Von Thomas BergerHochrangige Besucher gaben sich zuletzt in Neukaledonien die Klinke in die Hand. Erst weilte François-Noël Buffet, der Minister für Überseegebiete der neuen französischen Regierung, vier Tage vor Ort, nun folgte bis Dienstag ein dreitägiger Aufenthalt einer Delegation des Pazifikforums. Buffet hatte – nach fünf Monaten des Konflikts auf der Insel – angekündigt, dass »die Fortsetzung des Dialogs und die Förderung des Wiederaufbaus die Ziele« seines Besuchs sind. Er bestätigte dort auch, dass die Ursache der Auseinandersetzungen, die von Paris geplante Verfassungsänderung des Wahlrechts, vom Tisch sei. Auch die Staats- und Regierungschefs Tongas, der Cookinseln und Fidschis besuchten während ihres Aufenthalts Gebäude und Stadtteile, die durch die Unruhen zwischen den einheimischen Kanaken und französischen Loyalisten schwer beschädigt wurden.
Der doppelte diplomatische Ansatz ist der Versuch sowohl im fernen Frankreich als auch seitens der regionalen Nachbarschaft, auf der 1.200 Kilometer östlich von Australien gelegenen Inselgruppe – nach der Gewaltwelle vom Mai mit 2,2 Milliarden Euro Sachschäden, 13 Todesopfern und geschätzt 20.000 Jobverlusten – wieder für Ruhe zu sorgen. Die Stimmung, vor allem in der Hauptstadt Nouméa, ist noch immer aufgewühlt. Eigentlich hätten im Dezember Provinzwahlen stattfinden sollen, diese wurden auf Ende 2025 verschoben. In Neukaledonien, 1853 von Paris annektiert, gibt es seit Jahrzehnten eine starke Unabhängigkeitsbewegung der melanesischen Kanaken, die auch derzeit die Inselregierung führt, aber mit jenen Kräften, die bei Frankreich verbleiben wollen, im Kräfteverhältnis etwa gleichauf liegt. Die vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron geplante Reform des Wahlrechts hätte das Verhältnis bei künftigen Abstimmungen zugunsten des frankreichloyalen Lagers verschoben, indem auch Zugezogene, die seit über zehn Jahren auf den Inseln leben, Stimmrecht erhalten sollten.
Eher knapp hatten sich nach dem grundlegenden Nouméa Accord von 1988 die Unabhängigkeitsgegner bei den Referenden 2017 und 2020 mit 56,7 und 53,4 Prozent für einen Verbleib bei Frankreich durchgesetzt. Eine dritte Volksabstimmung 2021 (mit 96 Prozent) wurde von der Kanakischen und sozialistischen Front der nationalen Befreiung (FLNKS) boykottiert. Seit Mai ist die vor 40 Jahren gegründete und aus mehreren Parteien bestehende Front selbst de facto in zwei Fraktionen gespalten. Radikalere Kräfte wollen den Druck erhöhen; die Moderaten mahnen hinsichtlich der Unruhen, die auch die Entsendung französischer Soldaten auslösten, zur Mäßigung. Derweil hob Frankreichs höchster Gerichtshof am 23. Oktober die im Juni von einem niederen Gericht verfügte Inhaftierung von FLNKS-Führer Christian Tein auf dem französischen Festland auf. Ihm wird eine Mitverantwortung für die Unruhen vorgeworfen.
Neukaledonien stehe nun an einem »Wendepunkt«, erklärte Inselpräsident Louis Mapou (ein Moderater). Neben Mapou führte die »Troika plus« des Pacific Island Forum (PIF) auch Gespräche mit anderen politischen Vertretern, gesellschaftlichen Gruppen sowie Wirtschafts- und religiösen Führern. Neukaledonien gehört dem PIF wie Französisch-Polynesien erst seit 2016 als Vollmitglied an. Laut der Präsidentin des Neukaledonischen Kongresses, Veylma Falaeo, hätten ihr die pazifischen Führer versichert, dass ihr Land einen wichtigen Platz im Pazifik einnehme und sie den Dialog förderten. Falaeo erinnerte jedoch daran, dass es deutliche finanzielle Unterstützung brauche, um den totalen Zusammenbruch Neukaledoniens nach den durch die Unruhen verursachten Schäden zu verhindern.
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