Ein grüner Anstrich fürs Erdgas
Von Wolfgang PomrehnWie schon im Jahr zuvor, als im monarchisch regierten Ölstaat Katar über
Klimaschutz verhandelt wurde, steht auch die diesjährige UN-Klimakonferenz ganz im Schatten des Erdölgeschäfts. Gastgeber Aserbaidschan bestreitet gut 90 Prozent seines Auslandsgeschäfts mit dem Verkauf von Öl und Erdgas. Entsprechend fiel das Eröffnungsstatement Präsident Ilham Alijews aus, der seine Gäste mit den Worten »die fossilen Energieträger sind ein Geschenk Gottes« begrüßte und sich zugleich jede Kritik an den Geschäften seines Landes verbat. Nach über 30 Jahren internationaler Verhandlungen über Klimaschutz war das durchaus eine bemerkenswerte Konferenzeröffnung, eine, die die vielen
Konzernlobbyisten in den verschiedenen Verhandlungsdelegationen gerne gehört haben werden. Auch EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra wird sich als ehemaliger Shell-Manager nicht allzu sehr an derlei Ansichten gestört haben. Immerhin hat die Union in den vergangenen Jahren Aserbaidschan gedrängt, mehr Erdgas zu fördern und an sie zu verkaufen. Bakus Krieg gegen Armenien und die ethnischen Säuberungen in Bergkarabach fallen offenbar nach Brüsseler Meinung anders als Russlands Krieg gegen die Ukraine nicht weiter ins Gewicht. Auf der Klimakonferenz soll dem ganzen auch noch ein grüner Anstrich verpasst werden, wie die Brüsseler Nichtregierungsorganisation Corporate Europe Observatory (CEO) erfahren haben will. Der auf die Beobachtung von Konzernlobbyismus spezialisierten Gruppe liegen interne Dokumente der EU-Kommission vor, nach dem die Regierung Aserbaidschans überzeugt werden soll, sich dem sogenannten Global Methane Pledge (Globale Methanselbstverpflichtung) anzuschließen. Damit könnte dann die EU, so die Überlegung in der Brüsseler Kommission nach der Darstellung des CEO, behaupten, sich an ihre Klimaschutzziele zu halten, und gleichzeitig Erdgas aus der Kaukasusrepublik importieren. Tatsächlich führt die Nachfrage aus Westeuropa laut CEO sogar noch dazu, dass am Schwarzen Meer die Gasförderung gesteigert wird.
Mit dem »Global Methane Pledge« haben sich auf Initiative der USA und der EU bisher 159 Staaten bereit erklärt, ihre Methanemissionen zu reduzieren. Methan ist ein hochwirksames, aber nicht besonders langlebiges Treibhausgas, das unter anderem im großen Umfang bei der Förderung und beim Transport von Erdgas freigesetzt wird. Messungen der Deutschen Umwelthilfe hatten kürzlich auch hierzulande erheblich erhöhte Methankonzentrationen in der Luft in der Nähe von jeweils einem untersuchten LNG-Terminal und einer Gasverdichtungsanlage festgestellt.
Insbesondere die in den USA bevorzugt verwendete Frackingmethode ist für große Methanleckagen berüchtigt. Im Grunde handelt es sich bei dem »Methane Pledge« nicht viel mehr als um eine Absichtserklärung, die von keiner unabhängigen Partei überprüft wird. Die Initiative wurde vor drei Jahren auf der seinerzeitigen UN-Klimakonferenz ins Leben gerufen, aber geschehen ist bisher nichts. Die Methankonzentration in der Atmosphäre steigt unvermindert weiter an, wie das Treibhausgasbulletin der Weltorganisation für Meteorologie dokumentiert.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (17. November 2024 um 22:13 Uhr)Lieber Herr Pomrehn, weshalb hacken sie ständig auf der Kurzlebigkeit von Methan in der Atmosphäre herum? Zwischen 1750 und 2011 hatte die Methanzunahme einen zusätzlichen Strahlungsantrieb von 0,48 Watt pro Quadratmeter zur Folge, CO2 1,82 Watt pro Quadratmeter (beide zusammen also 2,3 von 2,83 insgesamt!). Wie es sich mit Treibhausgaswirksamkeit verhält (Methan hat die 87-fache, berechnet auf zehn Jahre) und wie sie berechnet wird, wäre mal einen Artikel in »Natur & Wissenschaft« am Dienstag wert!
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