Meinungsfreiheit kostet Geld. Ein Aufruf
Von Dietmar Koschmieder, Nick Brauns, Michael Sommer für Verlag, Redaktion und Genossenschaft der jungen WeltDas Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland legt großen Wert auf Pressefreiheit und garantiert jedem, seine Meinung frei äußern und sich aus allgemein zugänglichen Quellen frei informieren zu können. Liest sich gut auf Papier oder im Netz, allerdings sind Anspruch und Realität zwei Paar Stiefel. Denn um Meinungen, Analysen und Fakten tatsächlich wirkungsvoll nach außen vertreten zu können, braucht man ein Medium mit Reichweite. Wenn dort die Inhalte der Bundesregierung allerdings nicht passen, schränkt diese schon mal (wie im Fall junge Welt) die Pressefreiheit massiv ein.
Aber auch das Recht, Inhalte und Meinungen über Veranstaltungen verfügbar zu machen, wird stark beschränkt. Mit der Rosa-Luxemburg-Konferenz erreicht die junge Welt seit nunmehr fast 30 Jahren regelmäßig Tausende Interessierte. Die Durchführung so einer Veranstaltung war noch nie leicht, schon weil der Verfassungsschutz die Konferenz verleumdet und reaktionäre Kräfte versuchen, eine Raumvergabe an die junge Welt zu verhindern. Es kommt aber ein mittlerweile großes Problem hinzu: Für die Durchführung einer Raumveranstaltung mit drei- bis viertausend Teilnehmern muss Kapital in sechsstelliger Höhe zur Verfügung stehen. Ansonsten ist diese Option der Meinungsfreiheit nicht möglich.
Das war nicht immer so. Die Rosa-Luxemburg-Konferenzen fanden in den ersten Jahren an diversen Hochschulen und Universitäten statt. Da ein studentisches Gremium Mitveranstalter und Unterstützer war, konnten die Räumlichkeiten kostenfrei genutzt werden. Diese Option gibt es längst nicht mehr. Studierendenvertretungen wurde das gesamtpolitische Mandat genommen, mittlerweile verlangen auch Hochschulen hohe Nutzungsgebühren. Die junge Welt wurde dann (auch aus Platzgründen) in die Urania und später in das MOA-Konferenzhotel verlegt. Die Raumkosten stiegen von einigen tausend Euro auf einen mittleren fünfstelligen Betrag. Mit Corona explodierten zum einen die Raumkosten, zum anderen trauen sich Einrichtungen, die von öffentlichen Mitteln abhängig sind, immer weniger, politisch exponierten Veranstaltern Räume zur Verfügung zu stellen. Mittlerweile muss bei der Planung der Konferenz alleine für Raumnutzung und Ausstattung ein sechsstelliger Betrag berechnet werden, auch andere Kostenfaktoren sind explodiert. Benötigten wir zur Finanzierung der ersten Rosa-Luxemburg-Konferenz 1996 deutlich weniger als 5.000 Euro, brauchen wir für die 30. Konferenz 2025 mindestens 300.000 Euro. Ohne die Beiträge von über 30 Unterstützerorganisationen, aber vor allem ohne die Spenden von vielen Leserinnen und Lesern der Tageszeitung junge Welt und vielen Besucherinnen und Besuchern der Konferenz (vor Ort und vor den Bildschirmen) ist so eine Konferenz für uns nicht mehr finanzierbar. Trotzdem bleiben die Eintrittspreise von Verlag und Genossenschaft der jungen Welt bezuschusst, selbst in der Solipreiskategorie.
Der politische Stellenwert dieser Veranstaltung im europäischen Raum hat allerdings in den vergangenen 30 Jahren zugenommen. Die Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz ist der Jahresauftakt linker Kräfte. Sie liefert Orientierung und Analyse, führt Menschen aller Altersschichten und unterschiedlicher sozialer Herkunft zusammen, die Verhältnisse verändern wollen, und macht die Erkenntnis im Wortsinn hautnah erlebbar, dass sie dabei nicht alleine sind. Dass die Tageszeitung junge Welt neben der anstrengenden Arbeit, werktäglich eine gute Zeitung anzubieten, auch die Mühen einer solchen Konferenz auf sich nehmen kann, ist dem Umstand zu danken, dass sie über eine starke Basis von Abonnentinnen und Abonnenten verfügt. Damit aber die Zuschüsse, die der jW-Verlag und seine Genossenschaft auch diesmal zur Verfügung stellen, möglichst niedrig ausfallen, sind wir auf jede Spende angewiesen. Bitte nutzen Sie deshalb den Zahlungsträger, der der heutigen Ausgabe der jW beiliegt, oder überweisen Sie Ihre Spende online!
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Rainer Erich K. aus Potsdam (9. Dezember 2024 um 15:47 Uhr)Dieses Land BRD schmückt sich gerne mit demokratischen Errungenschaften, vor allem der Meinungs- und Pressefreiheit. Insbesondere dann, wenn zu einschlägigen Terminen wieder einmal Anti-DDR-Propaganda fällig ist. Weil ja angeblich im ersten Arbeiter- und Bauernstaat Demokratie unterdrückt wurde. Wenn heute Politgranden in ihren Sonntagsreden mit diesen Errungenschaften hausieren gehen, entlockt das dem politischen Beobachter nur noch ein müdes Grinsen. Der Artikel zeigt auf, wie der angeblich demokratische Staat mittels monetären Schranken die Meinungsfreiheit einschränkt. Meinung muss man sich in der BRD offenbar leisten können. Ähnlich, wie im viel bejubelten Rechtsstaat, in dem letztinstanzlich nur Recht gesprochen wird, wenn man bereit ist, für sein Recht ein Vermögen zu riskieren. Solch eine »Demokratie« mit Fußangeln und Selbstschüssen und nur zugänglich für die reiche Oberschicht kann mir gestohlen bleiben.
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Leserbrief von Martin myler aus halberstadt (8. Dezember 2024 um 16:07 Uhr)Liebe junge Welt! Wir gehen gerade unseren Vorfahren in ihrer Evolution schon entgegen. Ein Blick in ein xbeliebiges Zeitungsregal reicht, um dieses Dilemma der »Pressefreiheit« zu bemerken. Gefährlich und gewollt. Die Menschheit, so scheint es, verblödet am lebendigen Leib. Wenigen Oasen wird die Arbeit und das Leben schwer gemacht. Meiner Meinung nach gab es selbst in der DDR besseren Journalismus. Die hochgelobte Presse- und Redefreiheit in der Bundesrepublik gab es auch nur so lange, wie sie im Einklang mit der rechtsstaatlichen Ordnung geschah. Ich freue mich über die erfrischend-andere Berichterstattung eures Blattes. Ich habe euer 75-Aktionsabo, lese den Eulenspiegel und hoffe, dass es viele Bürger auch so machen werden. Frohe Weihnachten und viele Abos.
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