Öl-Deal vor Staatsbesuch
Von Knut MellenthinRusslands staatlicher Energiekonzern Rosneft und Indiens größtes Privatunternehmen Reliance Industries Limited haben im November laut unbestätigten Pressemeldungen dem umfangreichsten Ölgeschäft zugestimmt, das jemals zwischen diesen zwei Ländern vereinbart wurde. Weder Rosneft noch Reliance bestätigten die publizierten Einzelheiten über den Vertrag noch den Vorgang als solchen. Sie dementierten die Meldungen allerdings auch nicht.
Reliance ist in vielen Sparten tätig, macht aber seinen Hauptumsatz – rund 75 Prozent – in der Verarbeitung von Erdöl. Der Chef, Mukesh Ambani, gilt als »reichster Mann Asiens«. Korruptions- und Betrugsvorwürfe begleiten seinen Weg.
Den ersten Bericht über das angebliche Riesengeschäft verbreitete am Donnerstag vergangener Woche die in London ansässige internationale Nachrichtenagentur Reuters mit dem berechtigten Headlinezusatz »exklusiv«. Dort musste sich der Rest der Medienwelt bedienen. Sogar indische Zeitungen, Sender und Websites hatten zunächst keine eigenen Informationen hinzuzufügen. Das ist eine missliche, bei Aktionen dieser Größenordnung ungewöhnliche Nachrichtenlage, denn Reuters berief sich nur auf »drei Quellen, die mit dem Deal vertraut sind«.
Vereinbart wurde der Nachrichtenagentur zufolge, dass Rosneft an Reliance ab Januar annähernd 500.000 Barrel Rohöl per Tag (bpd) liefern wird. Das sei das größte Energiegeschäft aller Zeiten zwischen den beiden Staaten. Der Vertrag gelte für zehn Jahre und habe pro Jahr einen Wert von ungefähr 13 Milliarden US-Dollar (zu heutigen Preisen). Die Menge entspreche grob geschätzt der Hälfte des gesamten Erdöls, das aus Russland per Schiff exportiert wird.
Diese Behauptung beruht allerdings offensichtlich auf einem Irrtum oder Missverständnis: Am 22. August hatte Reuters berichtet, dass Indien im Juli 2,07 Millionen bpd russisches Erdöl gekauft und damit China (1,76 Millionen bpd) überholt habe. Die Differenz ergibt sich daraus, dass Reliance nicht der einzige indische Importeur von russischem Erdöl ist. Insgesamt hat Russland weltweit, laut Reuters vom 6. September, in diesem Jahr bis dahin durchschnittlich 4,8 Millionen bpd exportiert.
Zur Veranschaulichung der im November angeblich vereinbarten Liefermenge: Der Reuters-Meldung vom 12. Dezember zufolge hat Reliance von Januar bis Oktober dieses Jahres durchschnittlich 405.000 bpd aus Russland importiert, während es im selben Zeitraum des Vorjahres 388.000 bpd gewesen seien. 500.000 bpd in den nächsten Jahren wären zwar ein deutlicher Anstieg um rund 25 Prozent, aber der qualitative Unterschied der neuen Vereinbarung zur bisherigen Situation läge wohl hauptsächlich in ihrer langen Laufzeit. Der Darstellung von Reuters zufolge haben Reliance und Rosneft aber vereinbart, das Liefervolumen und die Preisgestaltung jährlich zu überprüfen und der Dynamik des Ölmarkts anzupassen. Das würde die mit der langen Laufzeit angestrebte Stabilität möglicherweise relativieren.
Schon seit der Ära der Sowjetunion arbeiten Indien und Russland auf strategisch wichtigen wirtschaftlichen und militärischen Gebieten eng zusammen. Zum Krieg in der Ukraine definiert sich die Regierung von Premierminister Narendra Modi als neutral und unterhält auch nach Kiew gute Beziehungen. Indien hat aber Russlands Vorgehen nicht verurteilt und beteiligt sich nicht an den westlichen Sanktionen.
Am 19. November teilte Pressechef Dmitri Peskow mit, dass Präsident Wladimir Putin demnächst Indien besuchen werde. Ein Zeitpunkt wurde bis jetzt nicht genannt, aber das erste Quartal 2025 scheint im Gespräch zu sein. Es wäre Putins erste Reise seit Beginn des Krieges in der Ukraine und stünde im Schatten des Haftbefehls gegen ihn, den der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag am 17. März 2023 ausgestellt hat. Der russische Präsident ist sich offenbar sicher, dass Indien diesen nicht vollstrecken wird. Im Vorfeld ist aber mit Propaganda westlicher Medien und mit »diplomatischem« Druck auf die Regierung in Neu-Delhi zu rechnen.
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Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (18. Dezember 2024 um 12:16 Uhr)Wir können das benötigte Öl ja dann zum dreifachen Preis von Indien beziehen, denn dann ist es ja kein russisches Öl mehr, sondern indisches. So befreit man Deutschland aus der »Abhängigkeit von Russland« und sichert obendrein noch deutsche Arbeitsplätze. Bravo, Herr Habeck! Bei solch geballter wirtschaftspolitischer Kompetenz haben Sie selbstverständlich eine weitere Amtszeit verdient.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (17. Dezember 2024 um 15:08 Uhr)Öl-Deal des Jahrzehnts: Von Fässern, Handelsabkommen und der deutschen CO₂-Tugend. Wieder einmal erschütterten Schlagzeilen das globale Blätterdach: Rosneft und Reliance, zwei Giganten aus ölgetränkten Welten, haben sich ein zehnjähriges Energieehebündnis gegeben. Bis zu 500.000 Barrel Rohöl täglich fließen künftig wie ein öliger Handschlag, der Stabilität und Wachstum verspricht – zumindest für die Beteiligten. Währenddessen in Deutschland: Die Kohlekraftwerke tuckern als eiserne Reserve, Windräder verharren still, und auf Klimakonferenzen werden wir von aller Welt für unsere CO₂-Tugendhaftigkeit belächelt. Man könnte sich fast fragen: Warum geben wir uns überhaupt noch Mühe? Indien bläst weiterhin Millionen Barrel Öl in den Atmosphärenhimmel, Russland trotzt trotz Sanktionen unbeirrt dem Druck und schifft sein schwarzes Gold nach Indien – während wir hierzulande den Thermostat herunterdrehen und uns selbst vor uns retten. Gorbatschow, der Vater der Implosion, mag sich im Nachhinein fragen, ob es nicht klüger gewesen wäre, ein wenig mehr Kapitalismus ins sowjetische Wohnzimmer einzuladen, statt den ganzen Laden gleich abzuwickeln. Russland, jetzt kleiner, aber gestählter und reich an Rohstoffen, trotzt den Sanktionen wie eine Eiche im Sturm. Deutschland hingegen puzzelt Jahr für Jahr fieberhaft neue CO₂-Ziele zusammen – und schneidet sich dabei ins eigene Fleisch. Wir verbieten Plastikstrohhalme, pflanzen Bäume und ziehen uns die Klimakarte aus dem Ärmel. Ob das die Welt rettet? Fraglich. Sicher ist nur: Reliance wird reich, Rosneft exportiert weiter, und Deutschlands CO₂-Bemühungen bleiben das globale Vorzeigemodell der Selbstkasteiung. Während das indische Räucherfässchen munter weiterqualmt, zischt es gen Westen: Danke für die guten Vorsätze, Europa – wir nehmen das Öl trotzdem.
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