Übungseinheit Arbeitskampf
Von Oliver RastDas hat es Jahre nicht mehr gegeben. Warnstreik bei der Bundesdruckerei in Berlin-Kreuzberg, ein 24stündiger Arbeitsausstand, drei Schichten lang. »Wir müssen streiken erst wieder richtig lernen«, sagte Betriebsrat Markus Meier (Name geändert) am Mittwoch vormittag im jW-Gespräch. »Auch das mit dem Einteilen der Streikposten«, schiebt der Belegschaftsvertreter von Verdi hinterher. Dennoch, unterm Strich hat alles geklappt.
Pünktlich zum Übergang der Spät- zur Frühschicht. Zwei modische, ovale Infopavillons mit Gewerkschaftslogo samt »Mitmachen«-Appell stehen vor der wuchtigen Glasfassade des Hauptgebäudes. Dazu ein halbes Dutzend Bierbänke und -tische. Bis zu 200 Verdianer, teils in neongelben Warnwesten, haben sich versammelt. Einige halten beim geselligen Plausch ein Heißgetränk in der einen, die weiß-schwarz-rote Verdi-Fahne in der anderen Hand. Die mobile Beschallungsanlage sorgt für Zusatzunterhaltung. Aus dem Boxenduo auf Ständern dringt Mucke aus der Konserve. Unterbrochen durch Reden von Gewerkschaftssekretären, Betriebsräten und engagierten Kollegen.
Bloß, warum der Aufzug? Die Tarifgespräche stocken, drei Runden ohne Ergebnis. Die Verdi-Tarifkommission fordert für die rund 3.500 Beschäftigten bei der Bundesdruckerei GmbH und ihre Schwestergesellschaft D-Trust GmbH einen Festbetrag von 325 Euro bei einer 35-Stunden-Woche bzw. bei 40 Stunden Wochenarbeitszeit 375 Euro. Auszubildende und Dualstudenten sollen ein Vergütungsplus von 252 Euro erhalten. »Wir müssen vor allem auch Erfahrungsstufen in der Entgelttabelle durchsetzen, besonders für die Belegschaft in der Produktion«, betonte Meier. Dort also, wo Banknoten, Pässe, Ausweise und sonstige Dokumente gedruckt werden. Im Vergleich zu anderen Beschäftigtengruppen gebe es im bundeseigenen Konzern für die Arbeiter an den Druckmaschinen »keine Stufensprünge.« Selbst wenn sie Jahrzehnte bis zum Ende ihrer Erwerbstätigkeit in der Produktion beschäftigt sind. Und nicht zuletzt geht es Meier und Verdi-Verhandlungsführer Oliver Hauser um eine Mitgliedervorteilsregelung für Gewerkschafter »und eine begrenzte Freistellung für Gewerkschaftsarbeit im Betrieb«.
Vom Verdi-Paket will die Geschäftsführung der Bundesdruckerei nichts wissen. Tarifabschlüsse würden sich am Flächentarifvertrag der Druckindustrie orientieren, ließ Vizepressesprecherin Liz Priewisch am Mittwoch gegenüber jW mitteilen. Doch die Gewerkschaftsforderungen lägen deutlich darüber, würden die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmensgruppe erheblich bedrohen, behaupten die Geschäftsführer. Deshalb gebe es keine Einigung. Bislang jedenfalls. Nicht einmal einen Termin für die nächste Verhandlungsrunde.
Was bieten die Druckereichefs? Eine Einmalzahlung von 1.400 Euro brutto für alle Beschäftigten und 500 Euro für Azubis für den Zeitraum bis zum 31. Juli 2025. Inakzeptabel. Denn »Einmalzahlungen erhöhen die Löhne nicht langfristig«, wurde Hauser am Dienstag in einer Mitteilung zitiert. Damit drohe ein Reallohnverlust. Meier: »Für die Drucker ist es jetzt schon oft nicht möglich, Verdi beizutreten und den Mitgliedsbeitrag zu bezahlen.« Der Betriebsrat prangert zudem das extreme Einkommensgefälle an. So würden die Geschäftsführer der Bundesdruckerei mit einem Fixgehalt von 860.000 Euro jährlich nach Hause gehen. Hinzu kämen Boni und eine dreiprozentige Gehaltserhöhung im Jahrestakt, rund 25.000 Euro.
Aber die »Wettbewerbsfähigkeit«, die würde Verdi gefährden? Meier: »Quatsch.« Die Beschäftigten der Bundesdruckerei hätten im vergangenen Geschäftsjahr einen Konzernumsatz von einer Milliarde Euro erwirtschaftet – »und einen Gewinn von zirka 200 Millionen Euro.« Ganz klar, die Belegschaft, die sich abrackere, wolle etwas vom Kuchen abhaben.
Der Zank darum dürfte sich weiter zuspitzen, ahnt der Betriebsrat. Ein Indiz: Höhergestellte, gutverdienende Angestellte hätten Streikposten mehrfach angepöbelt. »So nach dem Motto, woanders würden Leute massenhaft entlassen, wir sollten froh sein, Jobs zu haben.« Ein plumpes Totschlagargument, kontern Verdianer. Apropos zum Konter ansetzen – die Idee zum Indiz: der ersten Warnstreikübung weitere folgen lassen, damit es nicht wieder Jahre dauert.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
Dieser Artikel gehört zu folgenden Dossiers:
Ähnliche:
- 03.05.2024
»Mit uns läuft das nicht mehr«
- 20.07.2023
International gegen Amazon
- 13.05.2023
»So lange, wie es dauert«
Mehr aus: Inland
-
»Es wirkt wie Klassenkampf von oben«
vom 19.12.2024 -
»Die Gefangenen sehen so keine Perspektive«
vom 19.12.2024 -
Abnicken im Akkord
vom 19.12.2024 -
Parteiputsch in Hamburg
vom 19.12.2024 -
5,7 Millionen Pflegebedürftige
vom 19.12.2024