Gemeinsam stärker
Von Ina Sembdner, CaracasEs wirkt wie ein großes Familientreffen: Ende vergangener Woche wurde in Caracas das 20jährige Bestehen der Bolivarianischen Allianz für die Völker unseres Amerika – Handelsvertrag der Völker (Alba-TCP) gefeiert. Mittlerweile zehn Länder Lateinamerikas und der Karibik arbeiten daran, mit Hilfe des 2004 von Fidel Castro und Hugo Chávez ins Leben gerufenen Bündnisses eine Alternative zum ausbeuterischen Weltsystem aufzubauen. Anwesend waren am Sonnabend neben den offiziellen Vertretern der Alba-Länder beim 24. Gipfel in der venezolanischen Hauptstadt auch Delegationen sozialer Bewegungen aus der Region – allen voran aus den Gründungsländern Venezuela und Kuba, aber auch darüber hinaus, etwa aus Marokko, Indien und Burundi. Sie sind im sogenannten Rat der sozialen Bewegungen (spanisch CMS abgekürzt) zusammengeschlossen und verabschiedeten am Vortag ihre Vorschläge an die Regierungen der Allianz.
Alba-Exekutivdirektor Jorge Arreaza erinnerte in seiner Rede am Freitag daran, dass wahre Unabhängigkeit erst dann erreicht sei, wenn man gemeinsam ein großes Bündnis aufbaue. Unter Einbeziehung der von Simón Bolívar vor mehr als 200 Jahren in Gang gesetzten revolutionären Geschichte Amerikas sprach Arreaza auch von den gegenwärtigen Herausforderungen, so der nahenden Präsidentschaft Donald Trumps in den USA. Venezuela sei bereit dafür, aber es sei lediglich ein »Symptom für den Zerfall des Systems« und weise auf die Herausforderungen der Zukunft. Betont wurde an diesem Nachmittag in Caracas immer wieder das Handeln: Es gehe nicht darum, neue Bürokratie zu erschaffen, sondern Kräfte effektiv zu bündeln und zielgerichtet einzusetzen. Dazu gibt es einen konkreten Arbeitsplan, ab kommendem Jahr zweijährliche Treffen und ein fünfköpfiges koordinierendes Gremium mit jeweils einem Vertreter der beteiligten Fraktionen: Alba-TCP, soziale Bewegungen, International Peoples Assembly (IPA), das venezolanische Simón-Bolívar-Institut und das Kubanische Institut für Völkerfreundschaft (ICAP).
Welche Zuversicht die Anwesenden in dieses nach eigenen Worten einzigartige Format haben, wird an der Aussage eines kubanischen Genossen deutlich: »Wenn Sozialismus das Wort für Liebe ist, dann ist das Wort für Hoffnung Alba.« Und tatsächlich hat die Allianz trotz Rückschlägen wie Austritten von Mitgliedern nach rechten Regierungswechseln (Honduras, Ecuador, kurzzeitig Bolivien) in den vergangenen 20 Jahren einiges erreicht, etwa mit Schaffung des Petrocaribe-Fonds. Damit konnte venezolanisches Öl zu vergünstigten Kreditbedingungen – oder wie im Falle Kubas im Austausch für medizinische Kräfte – an Länder der Region abgegeben werden. Unter dem Druck der US-Sanktionen liegt das Abkommen seit 2019 (mit Ausnahme Kubas) auf Eis. Aber eine Wiederaufnahme wird angestrebt, wie nicht nur Venezuelas Präsident Nicolás Maduro beim Gipfel bekräftigte, sondern wie es auch in der sogenannten Strategischen Agenda 2030 festgehalten ist. Sechs weitere Zielsetzungen reichen von der Entwicklungszusammenarbeit über Wissenschaft, Kultur und Gesundheit bis hin zur Einrichtung einer Alba-Agentur zur Abmilderung der Folgen der Klimakrise, der die Staaten der Karibik überproportional ausgesetzt sind.
Im Rahmen der Agenda wurde am Wochenende auch die Initiative Agro-Alba offiziell beschlossen, die Produktion und Versorgung mit Nahrungsmitteln sicherstellen soll. Beigetreten sind der Allianz bereits St. Vincent und die Grenadinen sowie Antigua und Barbados und als erstes afrikanisches Mitglied São Tomé und Príncipe. Das Hauptziel bleibt aber die Schaffung von Ernährungssouveränität in der Alba-Region, wie der venezolanische Außenminister Yván Gil bei der Unterzeichnung mit St. Vincent am 6. November erklärte. »Wir brauchen eine Region, die auch in bezug auf die Ernährungssicherheit geschützt ist.« Und wie Maduro beim Gipfel betonte, gehe es neben dem Aufbrechen von Abhängigkeiten auch darum, das »Gift aus der Ernährung zu entfernen«, um ökologische Landwirtschaft also – etwa auf venezolanischen Ackerflächen, die den Partnerländern zur Nutzung bereitgestellt werden.
Hintergrund: Brücken bauen
Mit São Tomé und Príncipe ist am 12. Dezember das erste afrikanische Land dem Bündnis Alba-TCP beigetreten. Unterzeichnet wurde die Kooperation im Rahmen der beim 24. Gipfel verabschiedeten Initiative Agro-Alba. Dies sei von großer Bedeutung, erklärte der Exekutivsekretär der Allianz, Jorge Arreaza. »Denn als Hugo Chávez und Fidel Castro die Alba als einen neuen Aufbruch für Lateinamerika und die Karibik planten, dachten sie auch an den globalen Süden. Sie dachten an Afrika, Asien und die Länder, die damals als Entwicklungsländer bezeichnet wurden.« Die Initiative könne die macht- und geopolitische Verteilung der Welt formen, so Arreaza.
Der im Golf von Guinea gelegene Inselstaat setzt mit der Unterzeichnung auf eine umfassende Transformation. Landwirtschaftsminister Abel Da Silva Bom Jesus bezeichnete das Abkommen als einen historischen Meilenstein und sprach von einer »Brücke, die wir bauen« und die São Tomé und Príncipe verändern werde. Das Land ist extrem abhängig von Importen. Ein Drittel der rund 220.000 Einwohner muss von weniger als 1,90 US-Dollar pro Tag leben. (si)
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