Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
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Als es noch feste Winterschuhe gab

Von Andreas Gläser
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Da ist er, der gute alte Winterschuhabdruck

Vor Jahrzehnten, zum Beginn meiner Fanlaufbahn, konnte ich eine Winterpause der Fußballiga kaum aushalten, diese schier endlose Zwischen-den-Jahren-Tristesse. Und mochte Anfang Januar der schulische Stress mit der Russisch-Chemie-Physik-Pein weitergehen, immerhin würde somit auch bald der Oberligaball weiterrollen. Die Zeiten zwischen den Spieltagen verkürzten sich auf ein erträgliches Maß. Dem Jubel oder der Trauer vom vorgestern folgten die Chancen auf weiteren Zauber der Tore, Punkte und Tabellen von übermorgen. Und wenn der Frühling einzog, ging es sogar mit den Europa­pokalspielen unter der Woche weiter, wie schön. Doch noch hatten wir den Januar auszuhalten, in dem der Schnee entweder knöchel- und knie-hoch lag oder nur der Schneematsch übriggeblieben war, mit dem wir uns gegenseitig bis über die Gürtellinie bespritzten. Immerhin besaß man damals als Jugendlicher noch richtige Winterschuhe.

Heutzutage gibt es kaum noch Schnee- und Winterschuhe. Viele junge Leute tragen das ganze Jahr über Turnschuhe und sind dauernd verschnupft. Damals stand man in schweren Mauken zum Rückrundenbeginn wieder im verschneiten Stadion; etwa Mitte Februar, gefühlt Anfang Januar. In der B. Z. am Abend wurden die Anhänger dazu aufgerufen, am Vormittag der Partie den Rasen einigermaßen von der Schneedecke zu befreien. Es gebe auch eine Bockwurst mit Schrippe. Während des Spiels haben wir voll abgefroren und gelacht: Haha, in Russland ist es noch kälter! Und natürlich wurde gewonnen, gegen Chemie Böhlen oder Stahl Riesa, gegen Betriebssportgemeinschaften aus Städten, wo man ohne Beziehungen keine festen Winterschuhe bekam, weshalb die Menschen dort in Arbeitsschuhen aus dem Haus gingen. Am Montag stand im Neuen Deutschland, dass der Spielbetrieb dank der ND-Initiative aufrechterhalten werden konnte, aber egal, das ND wurde von den Fans nicht gelesen.

Heutzutage finden im Januar kaum noch Fußballveranstaltungen statt. Unterhalb der Bundesligen gibt es eine zehnwöchige Winterpause. Und wenn irgendwo Schnee zu fallen droht, pausiert man ein Vierteljahr. Der Verband lässt verlautbaren, alle Plätze ständen unter Wasser oder seien vereist, seien unbespielbar und eine Gefahr für Leib und Leben. Ich habe gelernt, damit klarzukommen. Mein Verein hängt ohnehin seit Jahren im gefühlten Mittelfeld der Regionalliga fest, er rangiert mein gesamtes Nachwendeleben in einer der Unterklassen. Ich lasse den Januar vorbeiziehen und zappe mich, in Hausschuhen vor dem Fernseher oder dem Heimcomputer sitzend, durch das internationale Fußball­ligenpotpourri. Mag auch in England immer der Ball rollen und in den USA permanent jedes Kaufhaus geöffnet sein, bei uns wurde halt alles abgesagt und hat geschlossen. Das sind keine Gründe, die Faschisten zu wählen.

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