Tragödie und Farce
Von Santiago BaezKarl Marx bemerkte 1852 im »achtzehnten Brumaire des Louis Bonaparte«, Hegel wiederum habe irgendwo bemerkt, dass »alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen«. Hegel habe aber vergessen hinzuzufügen, »das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce«.
Daran fühlt man sich unmittelbar erinnert, wenn man sich die aktuelle Situation in Venezuela ansieht. Wieder einmal beanspruchen zwei Männer, Präsident des südamerikanischen Landes zu sein, und wieder einmal spielen die USA und andere das Spielchen mit – als habe man aus den Ereignissen von 2019 nichts gelernt. Damals erklärte sich Juan Guaidó selbst zum »Übergangspräsidenten«. Er konnte sich als damaliger Parlamentspräsident wenigstens auf einen zurechtgebogenen Passus der venezolanischen Verfassung berufen. Sein Nachfolger im Geiste, Edmundo González, hat im Gegensatz zu Guaidó zwar mal für die Präsidentschaft kandidiert, aber ansonsten wenig vorzuweisen.
Der Amtsinhaber Nicolás Maduro kann darauf pochen, dass er von der venezolanischen Wahlbehörde CNE zum Sieger der Präsidentschaftswahlen vom Juli 2024 erklärt wurde. Daran gibt es berechtigte Kritik, denn bis heute sind die vollständigen Wahlergebnisse aus den einzelnen Wahllokalen nicht veröffentlicht worden, was die Gesetze des Landes aber vorschreiben, um eine Überprüfung zu ermöglichen. Wenn sich González darauf beruft, mag er sich politisch im Recht fühlen. Seinen Anspruch, dass er selbst und nicht Maduro die Wahl gewonnen habe, stützt er aber auf Auszählungsprotokolle, die von Regierungsgegnern zusammengetragen wurden – und niemand konnte die Authentizität dieser Angaben überprüfen. Das ist eine noch schwächere Legitimationsbasis, als sie Maduro hat.
Wenn González trotzdem von den USA, Kanada und der Mehrheit der Abgeordneten des Europäischen Parlaments als »Präsident« Venezuelas anerkannt wird, dann stützt sich das auf Wunschdenken, selbst wenn sich der im Exil lebende González irgendwo symbolisch als Staatschef vereidigen lassen sollte. Natürlich geht es weder Washington noch Brüssel (und schon gar nicht einem Faschisten wie dem argentinischen Staatschef Javier Milei) um Demokratie und transparente Wahlen. Es geht darum, Venezuela wieder unter ihre Kontrolle und unter die Knute der Großkonzerne zu bekommen. Für die Menschen in Venezuela wäre das in jedem Fall die schlechtere Alternative zur Regierung Maduro – auch wenn die nur noch wenig vom Aufbruch der Bolivarischen Revolution unter Hugo Chávez übriggelassen hat.
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vom 11.01.2025