Schläge, Tritte, Pfeffer
Von Philip TassevWie schon im Jahr zuvor ist die Polizei am Sonntag in Berlin rabiat gegen die alljährlich stattfindende Demonstration zum Gedenken an Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg vorgegangen. Der Angriff fand bereits kurz nach Beginn der Demonstration auf der Frankfurter Allee statt und richtete sich hauptsächlich gegen einen Block kommunistischer Jugendorganisationen sowie den Block der Palästina-Solidarität. Polizisten traten, schlugen und setzten Pfefferspray ein.
Beamte in Kampfmontur trennten die beiden Demoblöcke erst voneinander und stürmten sie anschließend. Dabei wurden mehrere Menschen verletzt, die von Sanitätern behandelt werden mussten. Der als parlamentarischer Beobachter anwesende Berliner Linke-Abgeordnete Ferat Koçak berichtete gegenüber junge Welt von mindestens vier Personen, darunter zwei Minderjährigen, die ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten. Einem Verletzten droht laut Koçak der Verlust des Augenlichts. Ein weiterer Demonstrant wurde von der Polizei bis zur vorübergehenden Besinnungslosigkeit verprügelt. Die betreffende Person befindet sich nach Angaben der Polizei in Gewahrsam und soll der Justiz überstellt werden.
Auch der Kommunistische Aufbau wurde angegriffen. In einem Handgemenge entwendeten Beamte das Fronttransparent der Gruppe. Der SDAJ wurde noch vor Demobeginn ein Seitenbanner abgenommen, weil die Polizei darauf ein rotes »Hamas-Dreieck« erkannt haben wollte. In Wahrheit handelte es sich um die Abbildung eines bekannten Plakats aus dem sowjetischen Bürgerkrieg um 1920.
Selbst nach Abschluss der Demonstration griff die Staatsmacht am Zielort, dem Zentralfriedhof Friedrichsfelde, noch einzelne Leute heraus. Nach jW-Beobachtungen wurden mindestens zwei junge Frauen aus der Palästina-Solidaritätsbewegung festgenommen. Auch abziehende kommunistische Gruppen wurden erneut attackiert.
Laut Polizei gab es mehr als 20 Festnahmen, zehn Ermittlungsverfahren seien eingeleitet worden. Begründet wurden die Verhaftungen unter anderem mit der Verwendung der kriminalisierten Parole »From the River to the Sea, Palestine will be free«. Zu den »körperlichen Angriffen auf Einsatzkräfte«, die als weiterer Grund aufgeführt wurden, kam es erst, als sich Demonstranten gegen die anstürmenden Polizisten zu schützen versuchten. Es war einzig und allein der Besonnenheit und Geschlossenheit der angegriffenen Demonstrationsblöcke zu verdanken, dass die Situation nicht völlig eskalierte.
Vor der Demonstration hatte es die Befürchtung gegeben, Baumaßnahmen auf dem Friedhofsvorplatz könnten für Probleme sorgen. Die Disziplin der beteiligten Gruppen verhinderte ein Chaos an der Engstelle. So konnte die Demonstration erfolgreich bis zur Gedenkstätte der Sozialisten marschieren, wo nach Verantsalterangaben mehr als 10.000 Teilnehmer – die Polizei will lediglich 3.000 gezählt haben – Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs, der Mitbegründer der Kommunistischen Partei Deutschlands, gedachten. Die beiden Revolutionäre waren am 15. Januar 1919 von protofaschistischen Freikorps mit Rückendeckung der SPD-Regierung ermordet worden.
Die ermordete Kommunistin ist auch Namensgeberin der alljährlich von der Tageszeitung junge Welt veranstalteten Internationalen Rosa-Luxemburg-Konferenz, die am Sonnabend zum 30. Mal stattfand. »Wir sind die einzigen Erben von Luxemburg und Liebknecht«, hatte dort die irische sozialistische Politikerin und ehemalige EU-Abgeordnete Clare Daly als erste Rednerin mit Blick auf die weltweite Linke und Arbeiterbewegung ausgerufen. Der Veranstaltungsort der diesjährigen Konferenz, die Wilhelm-Studios, war mit rund 3.000 Besuchern so voll, dass zeitweise ein Einlassstopp verhängt werden musste. Zehntausende Menschen verfolgten das Programm zudem im Livestream.
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Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
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