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Aus: Ausgabe vom 15.01.2025, Seite 2 / Inland
Kampagne für Kinderernährung

»3,85 Euro täglich reichen nicht«

Verbände fordern Maßnahmen gegen ungesunde Lebensmittel. Vor allem Kinder armer Familien von Folgen betroffen. Ein Gespräch mit Uwe Kamp
Interview: Gitta Düperthal
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Gut und günstig?

Wissenschafts-, Ärzte- und Verbraucherverbände sowie Kinderrechtsorganisationen fordern noch vor der Wahl die nächste Bundesregierung auf, einen besseren Schutz der Gesundheit von Kindern und Jugendlichen zu gewährleisten. Wie schlimm sind die Folgen der Fehlernährung für sie aktuell?

Sehr viele Kinder leiden unter schlechter Ernährung und sind von Übergewicht oder Essstörungen betroffen. Sie erlernen damit in der Kindheit Verhaltensmuster, die sich durch ihr ganzes Leben bis ins Erwachsenenalter ziehen und sich negativ auf ihre Gesundheit auswirken. Man kann die Fehlernährung zudem auch nach dem Sozialstatus aufschlüsseln. Verschiedene Studien belegen: Je schlechter die finanzielle Situation der Familie ist, desto mehr sind Kinder von den Folgen ungesunder Ernährung betroffen. Mehr als jedes fünfte Kind in Deutschland ist von Armut betroffen – jedes siebte von Übergewicht oder Adipositas. Das muss uns als Gesellschaft zu denken geben.

Weshalb sind hauptsächlich Kinder aus ärmeren Familien davon betroffen?

Gesunde Ernährung muss man sich leisten können. Das Bürgergeld veranschlagt dafür für Kinder unter fünf Jahren einen Betrag von 3,85 Euro täglich. Das reicht nicht. Man muss auch insgesamt sehen: Die hohen Inflationsraten der vergangenen Jahre in Deutschland wirkten sich gerade auf die Lebensmittelpreise aus.

Können Sie Beispiele dafür nennen, um welche Produkte und großen Hersteller es dabei geht? Wer profitiert von überzuckerten Produkten und Junkfood?

Ich möchte keine Marken nennen. Es fängt bei total überzuckerten Getränken und Limos an, auch das vermeintlich als gesund gepriesene Frühstücksmüsli ähnelt oftmals eher einer Süßigkeit. Weil viel zu viele Kinder mit überzuckerten Lebensmitteln und Getränken zugedröhnt werden, fordern wir die nächste Bundesregierung auf, die Lebensmittel- und Getränkebranche in der Hinsicht gezielt ins Auge zu nehmen.

Welche ökonomischen Hintergründe motivieren die Verantwortlichen der Industrie, auf ungesunde Nahrung zu setzen?

Mit süßen Produkten lassen sich gute Umsätze generieren, weil Kinder und Jugendliche auf deren Konsum seit frühester Kindheit konditioniert sind. Die Unternehmen versuchen so, maximal möglichen Gewinn zu erwirtschaften. Uns ist es wichtig, darauf zu achten, dass nicht Menschen schon in jungen Jahren in ihrem Verhalten geprägt werden, sich ungesund zu ernähren.

Was fordern die Verbände mit ihrer Kampagne?

Wir schlagen vier konkrete Maßnahmen vor, die der Koalitionsvertrag der künftigen Regierung beinhalten muss: erstens eine Abgabe auf Süßgetränke. Diese gibt es schon in Großbritannien, sie führte dort dazu, dass der Zuckeranteil in Limonaden stark gesenkt wurde. Zweitens: Es soll Werbeschranken für ungesunde Lebensmittel geben. Dahingehend gibt es Vorschläge aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium, die nun ganz konkret umgesetzt werden müssen. Drittens fordern wir, ein gesundes, kostenloses Mittagessen in Kitas und Schulen anzubieten. Standards dafür hat die Deutsche Gesellschaft für Ernährung vorgegeben. Viertens fordern wir, die Mehrwertsteuer auf Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte zu streichen. Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass so nicht etwa nur die Lebensmittelindustrie ihre Profite steigert, sondern dass die Preise tatsächlich auch um diesen Betrag fallen, damit es den Verbrauchern zugute kommt. Diese Maßnahmen sind nicht nur sozial gerecht, sondern bieten auch Potential, Gesundheitskosten einzusparen.

Sie fordern, dem gesunden Aufwachsen junger Menschen Priorität vor den Interessen der Lebensmittelindustrie einzuräumen. Reicht dazu freiwillige Selbstkontrolle?

Diese kann als guter Impuls dienen. Weil es aber immer wieder Unternehmen gibt, die versuchen, die freiwillige Selbstkontrolle zu umgehen, fordern wir ganz konkrete Maßnahmen.

Was erhoffen Sie sich von Ihrer Kampagne, und auf welche Parteien setzen Sie, was die Umsetzung angeht?

Unser Appell richtet sich an alle demokratischen Parteien. Die Ampelregierung hatte Vorschläge unterbreitet. Aus unserer Sicht muss die nächste Regierung konkrete gesetzlich abgesicherte Maßnahmen ergreifen, um eine gesunde Ernährung für alle tatsächlich zu erreichen.

Uwe Kamp ist Sprecher des Deutschen Kinderhilfswerkes (DKHW)

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