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Aus: Ausgabe vom 20.01.2025, Seite 8 / Ansichten

Tik Tok des Tages: Red Note

Von Marc Bebenroth
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Volle Dröhnung Rotlicht? Auf Millionen Geräten in den USA dürfte Xiaohongshu (Red Note) bereits rege genutzt werden (15.1.2025)

Mit seinen überaus kurzen Videos, die von Tanzeinlagen über Produktwerbung bis hin zu politischen Botschaften reichen, konnte die App erfolgreich die Aufmerksamkeitsspanne mindestens einer Generation auf ein bisher ungekannt niedriges Niveau hinabkatapultieren. Warum nur will der alte und seit diesem Montag neue US-Imperator Donald Trump, dass Tik Tok gerettet wird …?

Dem gesetzlich verordneten kalten Entzug der Nutzerinnen und Nutzer im Yankee-Land war der längst von heimischen Kapitalisten kontrollierte US-Ableger der in China entwickelten Videoabspul-App durch Selbstabschaltung am späten Samstag abend (Ortszeit) zuvorgekommen. Die mehr als 170 Millionen Accountinhaber in den USA waren durch eine Mitteilung kurz zuvor davon in Kenntnis gesetzt worden.

Nicht wenige von ihnen hatten vorher rechtzeitig den Kopf aus dem Algorithmus gezogen, den Braten gerochen und die Wende gen Westen vollzogen. Die Kurzvideosüchtigen trieb es zur »besten«, also »einzigen Alternative«, wie der Hersteller Xingyin Information Technology aus Shanghai auf seiner Website schreibt: Xiaohongshu (Kleines rotes Buch) – oder Red Note, wie die zuletzt am häufigsten heruntergeladene App im US-amerikanischen Softwarekatalog für Apple-Geräte heißt.

Die Abwanderung zahlreicher Nutzerinnen und Nutzer Richtung roter Sonne löste in den USA Unbehagen aus. Dort würden die Menschen sich samt ihren Videos direkt in die Arme des kommunistischen Endgegners begeben. Der Sender CNN warnte, dass nun unkontrolliert Propaganda der Genossen in Beijing in die Hirne der Tik-Tok-Vertriebenen gesendet werde. So sind dort bereits Videos zu sehen, in denen junge Frauen in Ostblock-Retro-Chic gekleidet die Posen alter Plakate aus der Volksrepublik China zur Völkerverständigung nachahmen. Die rote Gefahr könnte auch europäische Geister infizieren. Am Sonntag hat der estnische Außenminister Margus Tsahkna per Plattform X ein Tik-Tok-Verbot für den EU-Markt angeregt.

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