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Aus: Ausgabe vom 20.01.2025, Seite 15 / Politisches Buch
Kriegsgefahr

Die Zielscheibe auf dem Rücken

Erich Vad hat ein Buch über deutsche Sicherheitspolitik geschrieben
Von Arnold Schölzel
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Entscheidender Schritt auf dem Wege zur direkten militärischen Verwicklung Deutschlands in den Ukraine-Krieg? Demonstranten in München (14.4.2024)

Der ehemalige General Erich Vad beginnt sein im Oktober 2024 abgeschlossenes »Handbuch gegen den Krieg« mit der nüchternen Schilderung eines Kriegs zwischen Russland und dem Westen, bei dem die Bundesrepublik im August 2025 das Schlachtfeld ist. Anlass dieses Krieges: Nach »erheblichem Druck durch etliche Medien und massivem Drängen von NATO-Bündnispartnern« liefert die deutsche Regierung das »Taurus«-Waffensystem an die Ukraine. Die zerstört damit die Brücke von Kertsch, das russische Verteidigungsministerium und den Kreml. Die russische Antwort ist die Zerstörung der Fehmarnsundbrücke, der Produktionsstätte des »Taurus« und des Bundeskanzleramts. Daraufhin schicken die USA Cruise Missiles von deutschem Boden aus nach Russland; zur Vergeltung werden alle etwa 40 US-Militäreinrichtungen in der Bundesrepublik durch russische Raketen vernichtet. Zehntausende Zivilisten werden getötet, die Bundesregierung setzt sich in die USA ab und ruft von dort die deutsche Bevölkerung auf, »sich für die Freiheit stark zu machen«.

Vad meint, das sei kein »Hirngespinst«. Seine Grundannahme trifft jedenfalls zu: Sollte nach dem 23. Februar eine Regierung etwa unter Führung von CDU-Chef Friedrich Merz gebildet werden, die den »Taurus« liefert, dann könnte das so geschehen. Vad wusste vermutlich zum Zeitpunkt, als er sein Manuskript ablieferte, noch nichts vom russischen »Oreschnik«-Kampfsystem. Er schreibt, sein Eid als Soldat verpflichte ihn, »kritisch und laut zu sein, wenn ich unser Land in Gefahr sehe«.

Auf den restlichen Seiten des knappen Buches sucht er nach den Ursachen dieser existentiellen Gefahr. Dreh- und Angelpunkt ist für ihn das Verhältnis zu den USA. Im Kalten Krieg habe »die damalige westdeutsche Außen- und Sicherheitspolitik« darauf geachtet, dass die Sicherheit Europas untrennbar mit der Sicherheit der USA verbunden war. Jede Form der »Singularisierung und Europäisierung unserer Sicherheit«, wie sie gegenwärtig betrieben werde, habe Westdeutschland im NATO-Bündnis nicht mitgetragen. Man habe sich geweigert, »als einzige die Zielscheibe auf dem Rücken zu tragen«.

Die Bindung an die USA sei damals nicht einer »Untertanenmentalität« geschuldet gewesen, sondern der »westdeutschen Interessenlage«. Adenauer und seine Nachfolger seien nie auf die Idee gekommen, »Stellvertreterkriege zu alimentieren, die nur den Interessen der USA dienten«, ist sich Vad sicher. Solche Passagen lassen sich durchaus widerlegen, aber Vad hat kein Geschichtsbuch geschrieben. Seine These: Damals hätten US- und westdeutsche Interessen weitgehend übereingestimmt, heute gebe es diese Übereinstimmung nicht mehr. Das Verhältnis zu den USA »garantiert uns nicht mehr ausschließlich Sicherheit, sondern bringt ein zunehmendes Risiko mit sich«. Seine Argumentation wird dabei widersprüchlich. Vad wendet sich einerseits gegen die von den USA gewollte Abkopplung von Russland und China, auf der anderen Seite tritt er für die Aufrüstung der Bundeswehr und die Wiedereinführung der Wehrpflicht ein. Das ist nicht stimmig, kennzeichnet aber ein objektives Problem: Die BRD hat sich im Verhältnis zu Russland, China und dem globalen Süden den USA unterworfen, ohne aber einfach ein Vasall der Führungsmacht zu sein.

Auch Vad behauptet nicht den völligen Verlust deutscher Souveränität, aber für ihn steht der Hauptfeind eben nicht im eigenen Land. Sein Ziel ist eine »strategische Autonomie«. Er ist sich sicher: Wer sich bedingungslos den USA anschließt und in der BRD deren Raketen neu stationiert, macht sich zur Zielscheibe eines möglichen russischen Atomschlages. Die Herausforderung sei, einen »möglichst friedlichen Abstieg der USA aus ihrer weltweiten Vormachtstellung« zu »managen«. Vad weiß, was Krieg bedeutet.

Erich Vad: Ernstfall für Deutschland. Ein Handbuch gegen den Krieg. Westend, Frankfurt am Main 2024, 81 Seiten, 15 Euro

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Franz S. (20. Januar 2025 um 09:33 Uhr)
    Wenn diese Militaristen »außer Dienst« sind, entdecken sie plötzlich ihr Herz für den Frieden. Angeblich. Noch im März 2022 trommelte Vad für die Aufrüstung der Bundeswehr. Diese sei nicht einsatzfähig, verantwortlich für die »Vernachlässigung« sei »der deutsche Strukturpazifismus« (Neue Züricher Zeitung). In der Berliner Zeitung vom 4. September 2024 schreibt Vad zur Stationierung von Mittelstreckenraketen ganz im Sinne der NATO, dass »die bilaterale amerikanisch-deutsche Vereinbarung auf entsprechende russische Bedrohung reagiert und die militärische Abschreckung des NATO-Bündnisses verstärkt wird«. Und: »Die Stationierung der amerikanischen Waffen in Deutschland unterliegt im Kriegsfall nicht einer souveränen, nationalen Entscheidungsmacht«. Hier spricht er aus, was diese Generäle a. D. wirklich umtreibt. Nicht gegen Russland gerichtete Waffen sind das Problem, sondern dass Deutschland nicht die alleinige »Entscheidungsmacht« darüber verfügt. Auch Kujat fordert eine »größere Bereitschaft der Europäer und die Fähigkeit zur Selbstbehauptung zu stärken und zu einem unabhängigen Faktor in der internationalen Politik zu werden«. Notwendig sei »eine europäische Sicherheits- und Verteidigungsfähigkeit« (NachDenkSeiten 17. Februar 2024). Friedenspolitik sieht anders aus.

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