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Aus: Ausgabe vom 22.01.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Öl und Gas

Die LNG-Abhängigkeit der EU

USA drängen auf Absatz für Frackinggas und verfügen über Druckmittel durch Sanktionen
Von Wolfgang Pomrehn
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Frackinganlage im US-Bundesstaat New Mexico

Die Liste der ersten energiepolitischen Dekrete des neuen US-Präsidenten Donald Trump ist für Umweltschützer ein Katalog des Horrors: Die USA werden wieder aus dem Pariser Klimaschutzvertrag aussteigen, und neue Windkraftprojekte werden ebenso wie alle Klimaschutzausgaben und Mittel zur Einführung von Elektroautos eingefroren. Außerdem werden die Beschränkungen für den Export von Flüssigerdgas aufgehoben, die Ausweitung der Ölförderung und des Frackings von Gas angekündigt und schließlich wird der EU mit einem Handelskrieg gedroht, sollte sie nicht mehr Öl und Gas in den USA einkaufen. In den Vorstandsetagen der Öl- und Gasindustrie dürften die Champagnerkorken geknallt haben. Die Spitzen der neuen Techunternehmen, die sich so gern grüne Mäntelchen umhängen – wie Elon Musk, Jeff Bezos oder Mark Zuckerberg – stehen dabei und applaudieren sichtbar gut gelaunt. Der Aktienkurs des dänischen Windenergiebetreibers Ørsted stürzte umgehend ab, weil der Konzern 1,7 Milliarden US-Dollar (1,64 Milliarden Euro) auf sein Geschäft mit Offshore-Windrädern in Nordamerika abschreiben muss.

Trumps Vorgänger Joe Biden hatte vor etwa einem Jahr ein Moratorium für neue Flüssigerdgasexportanlagen (LNG) erlassen – auch das wischte Trump am Montag vom Tisch. Damit ist der Weg frei für noch mehr Fracking. In den USA wird Erdgas vor allem aus unkonventionellen Lagerstätten gefördert, in denen es nicht in großen Blasen, sondern nur in kleinen Einschlüssen im Gestein vorliegt. Dieses wird unter hohem Druck mit einem Gemisch aus Wasser und Chemikalien aufgebrochen. Das in Brüssel ansässige Netzwerk Transport & Environment hat im Herbst vorgerechnet, dass damit Frackinggas zum Beispiel im Schiffsverkehr kaum klimafreundlicher als das meist verwendete Schweröl ist. Entsprechend macht es aus Sicht des Klimaschutzes auch nicht viel Sinn, in Deutschland neue, mit Frackinggas betriebene Kraftwerke zu bauen.

Ein anderer Haken ist der Preis. LNG aus Russland ist deutlich billiger, schreibt die Financial Times, und werde derzeit in Westeuropa mehr als je zuvor gekauft. Insgesamt haben sich die LNG-Importe in die EU seit 2015 in etwa verdreifacht, wobei die USA seit 2021 der größte Lieferant sind und in den vergangenen Jahren ihre Ausfuhren in die EU noch einmal verdreifacht haben. Bidens Regierung hatte jüngst zwei kleinere russische LNG-Anlagen auf die US-Sanktionsliste gesetzt, war aber gegen die Aufnahme von Jamal, einem großen Terminal in Sibirien zur Belieferung der EU und anderer Teile der Welt. Mit Jamal besitze Trump einen Hebel, die LNG-Exporte durchzudrücken.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zeigte sich nach Darstellung der Zeitung dennoch willig für Sanktionen, kann aber wenig ausrichten. Bisher haben sich die Mitgliedsländer nicht auf einen Importstopp für russisches LNG einigen können, aber in den Gesprächen über die nächste Sanktionsrunde liegt er vermutlich wieder auf dem Tisch. Doch in diesen Fragen ist noch Einstimmigkeit nötig, und die Regierungen in Bratislava und Budapest zeigen wenig Sympathie für das Anliegen – für die hiesigen Eliten sicherlich ein Grund mehr, das Konsensprinzip in der EU gänzlich abschaffen zu wollen.

Derweil zeigt sich nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters der Chef des bundeseigenen Energiekonzerns Uniper, Michael Lewis, erfreut über Trumps Ankündigung. Mehr Gas aus den USA sei gut für die Preise. Gemeint ist damit, dass das US-Frackinggas das Preisniveau auf dem Weltmarkt hebt. Für Gashändler wie Uniper bedeutet das sprudelnde Gewinne. Das Unternehmen rechnet laut Handelsblatt für 2024 mit einem Vorsteuergewinn von 2,5 bis 2,8 Milliarden Euro.

In den USA wird Gas hingegen deutlich billiger angeboten. Das war schon vor dem Ukraine-Krieg so, aber in der EU ist Gas inzwischen doppelt so teuer wie vor dem russischen Angriff und damit dreimal so teuer wie in den USA, schreibt die Financial Times. Mit anderen Worten: Krieg und Sanktionspolitik haben der dortigen Industrie einen Vorteil gegenüber der EU-Konkurrenz verschafft.

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