Links & bündig: Jetzt bestellen!
Gegründet 1947 Mittwoch, 5. Februar 2025, Nr. 30
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Links & bündig: Jetzt bestellen! Links & bündig: Jetzt bestellen!
Links & bündig: Jetzt bestellen!
Aus: Ausgabe vom 23.01.2025, Seite 7 / Ausland
Diplomatie

Ukraine-Gespräche ohne EU?

Russland will direkt mit USA verhandeln. Selenskij verlangt mindestens 200.000 europäische Soldaten
Von Reinhard Lauterbach
imago312538595.jpg
Nikolai Patruschew (Moskau, 4.11.2023)

Russland will allenfalls direkt mit den USA über eine Beilegung des Ukraine-Kriegs verhandeln. Das sagte der ehemalige Chef des sogenannten russischen Sicherheitsrats, Nikolai Patruschew, der Komsomolskaja Prawda am Dienstag. Mit »irgendwelchen Londons oder Brüssels« gebe es für Russland nichts zu besprechen, so Patruschew ausdrücklich. Die EU spreche nicht mehr für alle ihre Mitglieder. Der russische Politiker nannte Österreich, Ungarn, die Slowakei und Rumänien als EU-Staaten, die sich für »Stabilität« auf dem europäischen Kontinent einsetzten; für den Rest gelte dies nicht. Er wiederholte zudem die russische Position, dass das Land an einem »vorübergehenden« Waffenstillstand oder einem Aufschub der ukrainischen NATO-Mitgliedschaft um einige Jahre nicht interessiert sei. Am Mittwoch ergänzte der russische Vizeaußenminister Sergej Rjabkow, mit der neuen US-Administration öffne sich, anders als gegenüber der vorherigen, ein »wenn auch kleines« Fenster der Möglichkeit für Gespräche über eine Beilegung des Konflikts.

US-Präsident Donald Trump hat angedeutet, er werde neue Sanktionen gegen Russland verhängen, wenn sich dieses seiner Verhandlungsaufforderung verweigere. Einzelheiten der US-Position sind noch nicht bekannt. Trump hatte die Ukraine in seiner Antrittsrede am Montag mit keinem Wort erwähnt, was dort und in Teilen der EU Besorgnis auslöste.

Derweilen berichtet die Washington Post, dass praktisch alle Beamten, die bisher mit der Ukraine-Hilfe beschäftigt waren, direkt nach dem Amtsantritt von Trump entlassen oder versetzt worden seien. Gegen einige von ihnen liefen überdies Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Veruntreuung von Steuermitteln. Für die Ukraine bedeute dies, dass sie derzeit in Washington praktisch keine Ansprechpartner mehr habe. Trump hatte direkt nach seinem Amtsantritt auch angeordnet, sämtliche Auslandshilfen der USA für 90 Tage auszusetzen. Damit kann die Ukraine nur noch das Geld verwenden, das ihr der ausgeschiedene Präsident Joe Biden in seinen letzten Amtswochen überwiesen hatte. Praktisch bedeutet dies unter anderem, dass die aus den USA finanzierten Antikorruptionsbehörden in der Ukraine ab sofort ohne Geld dastehen. Ukrainische Medien hatten bereits ironisch kommentiert, dass dies der womöglich einzige Aspekt an Trumps Politik sei, mit dem sich die ukrainische Präsidialkanzlei anfreunden könnte.

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij hat seinerseits einschränkende Bedingungen für einen eventuellen Waffenstillstand formuliert. Beim Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos sagte er am Dienstag, ein Friedensschluss müsse nicht nur schnell kommen, sondern auch »fair und verlässlich« sein. Ist dies noch weitgehend politische Lyrik, so baut eine weitere Bedingung eine hohe praktische Hürde auf: Er nannte die Zahl von »mindestens 200.000« europäischen Soldaten, die zur Überwachung eines möglichen Waffenstillstands in der Ukraine stationiert werden müssten. Jede Präsenz in geringerer Stärke sei nichts wert, so Selenskij. Bisher hat kein europäisches Land überhaupt die Bereitschaft erkennen lassen, Bodentruppen in die Ukraine zu entsenden. Selbst Frankreich, das diese Diskussion vor einiger Zeit angestoßen hatte, ist zuletzt zurückgerudert. Der polnische Regierungschef Donald Tusk hat eine Stationierung polnischer Truppen in der Ukraine ausdrücklich ausgeschlossen.

Selenskij forderte die EU außerdem auf, sich militärisch so weit zu stärken, dass sie ein »unentbehrlicher Akteur« der Weltpolitik werde. Europa müsse verstehen, dass es keinen Ozean habe, um sich vor Russland zu schützen. Die von Russland geforderte Reduzierung der ukrainischen Armee auf ein Fünftel ihres derzeitigen – angesichts von Verlusten und Desertionen allerdings nur auf dem Papier stehenden – Mannschaftsstandes von 800.000 Soldaten schloss er aus. Was in der politischen Auseinandersetzung auf dem Spiel steht, hatte Nikolai Patruschew in dem erwähnten Interview mit einer Bemerkung markiert: Er »schließe nicht aus«, dass »die staatliche Existenz der Ukraine im Laufe des Jahres 2025 endet«.

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Ähnliche:

  • Gegen Preisdrückerei: Lkw stehen still wegen Blockade an Grenze ...
    30.12.2023

    Zerstörerisches Kräftemessen

    Jahresrückblick 2023. Heute: EU. Konfrontation mit Russland und China und Handelsstreitigkeiten mit Washington
  • Eines der Kernprojekte der Drei-Meere-Initiative: Die Via Carpat...
    07.02.2023

    Die Achsenmacher

    Geopolitik und Infrastrukturkapitalismus: Die Drei-Meere-Initiative in Zentral- und Osteuropa
  • Die »Nord Stream 2« soll die Kapazität der bereits seit 2011 fun...
    16.08.2016

    Ostseepipeline ausgebremst

    Polens Wettbewerbsbehörde blockiert Firmenkonsortium zum Bau von »Nord Stream 2«. Beteiligte Konzerne wollen Projekt trotzdem realisieren