Ein Terminal ohne Umschlag
Von Gerrit Hoekman
Ist Sachsen etwa das Land, in dem hohe Kräne wachsen, ohne Sinn und Verstand? Wer sich mit den Plänen für den neuen Elbhafen in Riesa beschäftigt, kann diesen Eindruck durchaus gewinnen. In der Kreisstadt mit nicht einmal 30.000 Einwohnern soll bald ein Containerterminal entstehen, zu dem auch ein 30 Meter hoher Portalkran, Containerbrücke genannt, gehört. Das millionenschwere Infrastrukturprojekt soll den vor sich hin dümpelnden Hafen aus dem Dornröschenschlaf erwecken. Bislang sind allerdings nur die Kritiker aufgewacht.
Denn der Hafen Riesa liegt meist eher verlassen am Elbestrand. »Da ist weder ein Containerschiff in den letzten drei Monaten vorbeigekommen, noch irgendwas anderes, außer die Wasserschutzpolizei«, sagte Marcel Soboich vom Bürgerverein Riesa 2018 am vergangenen Wochenende zum MDR. Im Hafen ist so dermaßen tote Hose, dass es dem öffentlich-rechtlichen Sender im Februar 2024 eine Nachricht wert war, als der tschechische Schubverband »TR 18« in Riesa mit 1.684 Tonnen Gerste beladen wurde. »Das größte Schiff in der jüngeren Geschichte des Hafens«, hieß es da.
Die relativ große Tonnage war allerdings nur möglich, weil die Fahrrinne der Elbe zu der Zeit eine Tiefe von 3,88 Meter hatte. Das kommt nicht allzu oft vor und dürfte im Zuge der Klimaveränderung noch seltener werden. »Die Elbe verebbt«, berichtete Klimareporter bereits 2018. Binnenschiffer wissen aus Erfahrung: Beinahe jedes Jahr haben sie hinter Magdeburg flussaufwärts wochenlang nicht mehr genug Wasser unterm Kiel. Dann wird die Ladung in der Domstadt gelöscht und per Lkw oder Eisenbahn an ihren Bestimmungsort gebracht.
Seit 2020 gebe es »keine Containerschiffe mehr auf der Elbe bei Riesa«, stellt Felix Ekardt, der Vorsitzende des Bundes für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) in Sachsen Anfang Januar fest. »Ein Containerhafen ohne Containerschiffe – das wirkt wie ein schlechter Witz.« Eine ganzjährige Schiffbarkeit der Elbe für Güterschiffe sei eine »Illusion«. Das hätten mehrere Gutachten bestätigt. »Die dauerhaft benötigte Fahrrinnentiefe von 1,40 Metern ist ein unrealistisches Ziel. Im Sommer erreicht die Fahrrinne oft nicht einmal einen Meter, teilweise liegt sie bei nur 50 bis 60 Zentimetern«. Angesichts des Klimawandels sei zudem mit zunehmenden Dürreperioden zu rechnen, wodurch die Elbe »künftig noch weniger Wasser führen wird«, so Ekardt.
Das Land Sachsen, der einzige Gesellschafter der Sächsischen Binnenhäfen Oberelbe GmbH (SBO), ist dennoch entschlossen, aus dem Hafen in Riesa einen wichtigen Umschlagplatz für die ganze Region zu machen. Im Oktober 2024 gab die Landesdirektion Sachsen grünes Licht für den Terminalneubau: Der 160 Jahre alte Hafen wird dafür komplett abgerissen. »Damit sich dieser Standort auch in Zukunft weiterentwickeln kann, muss er umgebaut werden«, zitierte der MDR die Staatssekretärin für Infrastruktur und Landesentwicklung. Die Landesregierung verspricht sich einen immensen Schub für die regionale Wirtschaft. Außerdem locke der Hafen Investoren an, so die Hoffnung.
Anrainern im Stadtteil Gröba dürfte der Ausbau allerdings auf die Lebensqualität schlagen. Mehr Umschlag im Hafen bedeutet auch mehr Lkw-Verkehr, mehr Lärm und mehr Abgase. Auch der neue Kran, der die Container von Bord an Land hievt, macht Krach – durch die enorme Höhe der Anlage womöglich bis in die Innenstadt zu hören. »So wie das Terminal geplant ist, soll er ja übers Wasser ragen. Dann kann ich an der Seite keinen Lärmschutz anbringen«, so Jan Niederleig vom BUND in Riesa.
Die Würfel scheinen indes gefallen. Es spielt offenbar auch keine Rolle mehr, was das Containerterminal kostet. Nämlich ganz schön viel. Als die Idee 2012 zum ersten Mal aufkam, war noch von 25 Millionen Euro die Rede. Das reicht inzwischen bei weitem nicht mehr. »Wir gehen vorsichtig von einer Steigerung von bis zu 35 Millionen Euro aus«, erklärte Heiko Loroff vom Hafenbetreiber SBO zum MDR. Offenbar werden nicht nur Brot, Milch und Butter immer teurer, sondern auch Containerterminals.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (23. Januar 2025 um 21:39 Uhr)Einige Leute scheinen den Zug der Zeit verpasst zu haben, der da heißt: Elbvertiefung! Da kann man die paar Meter bis nach Nymburk gleich mit erledigen. Anfangen muss man irgendwo, da eignet sich ein Containerterminal exzellent. Ein Tunnel zur Vervollständigung der Infrastruktur müsste natürlich auch her. Also Direktverbindung mit Stuttgart 21! Think big!
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